Rechtsanwalt Mag. Gerold Beneder sieht im Gespräch mit Report24-Chefredakteur Florian Machl noch lange kein Ende im juristischen Kampf gegen die umstrittene ORF-Gebühr. Trotz eines aktuellen Urteils des Verfassungsgerichtshofs ortet er massive rechtliche Schwächen und wirft unbequeme Fragen zur Unabhängigkeit der Justiz und Gültigkeit zahlreicher Bescheide auf.

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), das die ORF-Gebühr als verfassungskonform einstuft, sorgt weiterhin für Unmut. Im Interview mit Report24 analysiert Anwalt Mag. Gerold Beneder die Entscheidung und bezeichnet sie als bemüht konstruiert. Besonders ab Seite 30 des 55-seitigen Urteils erkenne man den Versuch, alle Kritikpunkte durch formale Argumentationen abzuräumen.

Fragwürdige Unabhängigkeit im Verfassungsgericht

Besonders problematisch sei laut Beneder die Zusammensetzung des VfGH. Die Richter würden auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt – ein Umstand, der die Unabhängigkeit des Höchstgerichts infrage stellt, vor allem dann, wenn diese über Gesetze urteilen, die dieselbe Regierung maßgeblich mitgestaltet hat.

Zusätzlich sorgt ein pikantes Detail für Aufsehen: Eine der Kanzleien, die den ORF im Verfahren vertreten hat, trägt den Namen eines aktuellen Verfassungsrichters als namensgebenden Partner. Dieser habe zwar an diesem konkreten Fall nicht mitgewirkt oder auf seine Namensnennung keinen Wert gelegt, dennoch sei allein die Optik problematisch.

Noch lange nicht vorbei – der juristische Kampf geht weiter

Von insgesamt rund 20 anhängigen Beschwerden gegen die ORF-Gebühr entschied der VfGH nur eine als Musterfall – ohne mündliche Verhandlung, ohne Berücksichtigung anderer Argumente. Laut Beneder ist das bei einem Thema, das Millionen Haushalte und hunderttausende Unternehmer betrifft, ein demokratiepolitisch fragwürdiges Vorgehen.

Beneder macht klar: Das letzte Wort ist juristisch noch nicht gesprochen. Zahlreiche Beschwerden sind weiterhin offen. Seine Kanzlei arbeitet an neuen Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH), der für einfachgesetzliche Fragen zuständig ist. Dort könnten Detailfehler, wie etwa die falsche Vorschreibung von Zahlungszeiträumen, zu positiven Entscheidungen für Betroffene führen.

Nicht alle Bescheide sind gültig

Ein weiteres juristisches Pulverfass betrifft die Formvorschriften: Viele ORF-Bescheide seien gar nicht ordentlich unterzeichnet. Laut Verwaltungsgericht könnten solche Bescheide als nichtig gelten. Sollten diese Urteile rechtskräftig werden, könnten tausende Forderungen des ORF hinfällig sein.

EU-rechtlich bedenklich: Wettbewerbsverzerrung durch Milliardenförderung

Auch auf europäischer Ebene könnte sich ein neues Spielfeld auftun. Der ORF erhält jährlich rund 720 Millionen Euro an öffentlichen Geldern, während alle privaten Medien gemeinsam nur etwa 30 Millionen erhalten. Beneder sieht darin eine mögliche EU-widrige Beihilfe, da der ORF zunehmend wie ein Privatunternehmen agiere – mit Werbung, Serien, Shows und Produktplatzierungen.

Der Zwang zur Zahlung trotz Nichtnutzung widerspreche nach Ansicht des Juristen der Eigentumsgarantie. Dass es ein milderes Mittel – wie etwa eine Bezahlschranke – gebe, sei vom VfGH nie geprüft worden. Ebenso sei der Gleichheitssatz verletzt: Eine alleinlebende Pensionistin zahlt genauso viel wie eine Großfamilie mit hohem Einkommen.

Strategie: Zeit gewinnen, Druck aufbauen

Beneder rät Betroffenen, weiterhin aktiv zu bleiben: Bescheide anfordern, Beschwerde einbringen – denn solange über eine Beschwerde nicht entschieden ist, besteht keine Zahlungspflicht. Das Ziel sei, durch zeitliche Verzögerung und juristische Hartnäckigkeit Spielraum zu schaffen, um auf neue Urteile hinzuarbeiten.

Mag. Gerold Beneder zeigt sich in diesem Interview (siehe Link weiter oben) kämpferisch: „Es ist nicht alles verloren.“ Noch seien viele rechtliche Argumente ungehört, viele Fragen unbeantwortet. Er setzt auf den langen Atem seiner Mandanten und auf die Möglichkeit, dass Gerichte in späteren Entscheidungen doch noch zugunsten der Gebührenkritiker urteilen. Die juristische Auseinandersetzung um die ORF-Zwangsgebühr ist damit keineswegs beendet.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert