Der Dokumentarfilm „Sep Ruf“ porträtiert einen wichtigen Architekten der Moderne, der sich schon in den 1930ern vom „völkischen“ Bauen der Nazis absetzte. Mit seinen Werken schmückte sich die Bundesrepublik als demokratische Gesellschaft


Die Neue Maxburg in München wurde 1954 – 1957 nach Entwürfen von Sep Ruf und Theo Pabst gebaut

Foto: Alpenrepublik


Auf die Gestaltung von Ladenfenstern haben die Regeln des Denkmalschutzes keinen Einfluss. Und die Inhaberin des Cafés Kreutzkamm in München scheint selbst kein Problem mit dem krassen Stilbruch zu haben, den ihr in Fraktur gesetztes Logo auf den Schaufenstern zum Rest des Gebäudes provoziert. Denn die sogenannte Neue Maxburg im Zentrum der bayrischen Hauptstadt ist trotz ihres trutzigen Namens ein ausgesprochen nüchtern wirkender Geschäftsbau. Konstruiert in den 1950er-Jahren, verweist er nur in Proportion, Farben und durch den integrierten Restturm auf jenes protzige, im Zweiten Weltkrieg zerbombte Wittelsbacher-Schloss, das an dieser Stelle einst stand. Hinter den großen Scheiben des jetzigen, auf neue Weise altmodischen Cafés residierte beim Erstbezug

stturm auf jenes protzige, im Zweiten Weltkrieg zerbombte Wittelsbacher-Schloss, das an dieser Stelle einst stand. Hinter den großen Scheiben des jetzigen, auf neue Weise altmodischen Cafés residierte beim Erstbezug 1953 noch eine luftige Espresso-Bar mit „exotisch“-italienischem Flair.Historische und aktuelle Ansichten des Ensembles sind zu sehen in einem Film zum Andenken des Architekten Sep Ruf, zu dessen früheren Arbeiten die Neue Maxburg zählt. Später machte sich der 1982 verstorbene „versöhnliche Modernist“ (so nennt ihn der für den Film befragte Süddeutsche-Kulturredakteur Gerhard Matzig) international einen Namen mit den Pavillons der Weltausstellung in Brüssel 1958 (die er zusammen mit Egon Eiermann gestaltete) und vor allem dem Kanzlerbungalow in Bonn. Während dabei Rufs innenstädtische Gebäude trotz ihrer Modernität deutliche Korrespondenz zu den Gegebenheiten vor Ort zeigen, sprechen die solitären Bauten ebenso deutlich die Formensprache der internationalen Moderne – und boten damit in Brüssel Ende der 1950er ein demonstratives Gegenbild zu Albert Speers Monumentalbauten 20 Jahre vorher in Paris.Gegenbild zu Albert SpeerGerhard Matzig ist einer von einem Dutzend KennerInnen oder Weggefährten Sep Rufs (1908 – 1982), die im Film des Münchner Dokumentarfilmemachers Johann Betz – in meist stark zerschnipselten Statements – Auskunft zu den Arbeiten des Architekten geben. Rufs Entwürfe unterstreichen oft durch zarte Säulen den schwebenden Charakter der Betonflachdächer und öffnen mit sturzlosen Fenstertüren Innen- und Außenräume: Die Begriffe Transparenz, Leichtigkeit und Eleganz fallen häufig. Auch die Ansichten von Rufs Bauten im Film sind elegant (wenn auch oft viel zu kurz eingeblendet) in Szene gesetzt. Die Kamera bewegt sich meist per Dolly oder Drohne; Split-Screens und serielle Bildfolgen schaffen visuelle Bezüge zwischen Bauphasen oder Gebäudeteilen, so etwa zwischen der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und dem Büro-Ensemble Tucherpark in München.Das Bauen im modernen Stil wurde auch nach 1945 in der BRD oft angefeindetTrotz markanter Erscheinung in weißem Hemd und Schlips, erfolgreichem Netzwerken und dem akademischen Aufstieg zum Präsidenten der Akademie der Künste in München war Ruf ein schüchterner Mann, heißt es. Vielleicht auch deswegen sind wenig direkte Lebenszeugnisse zu sehen, spät hören wir einmal seine Stimme kommentierend zu den Brüsseler Pavillons, die als „Vitrinenbauten“ so etwas wie Schaufenster für die junge BRD, ihre Waren und Werte sein sollten. Auch andere Gebäude versprachen durch ihre Architektur freiere Blickachsen, komfortablere Arbeitsbedingungen und Begegnungsorte. Bestes Beispiel dafür ist das in die Neue Maxburg integrierte Amtsgericht mit seinen schwebenden Freitreppen im großzügig verglasten Atrium, das als Gegenentwurf zur neobarocken Herrschaftsarchitektur des nahen Justizpalasts funktioniert.Rufs erstes nach seinem Diplom 1931 gebautes Einfamilienhaus in München war zugleich das erste Gebäude mit Flachdach in der Stadt. Als dann NS-Vorschriften die gestalterischen Möglichkeiten stark einengten, unterlief er etwa in einer Siedlung in Grünwald die Vorgaben völkischen Bauens durch geometrische Reduktion der geforderten Satteldächer und Bauformen.Placeholder image-1Betz’ Stichwortgeber im Film betonen jedoch auch, dass Bauen im modernen Stil nach 1945 in Deutschland keinesfalls ohne Feinde war. Dass die Neue Maxburg nach Baumängeln in der lokalen Presse als „Murxburg“ verballhornt wurde, scheint da noch eher harmlos. Doch auch viele andere von Rufs Gebäuden wurden von traditionalistischen Kräften angefeindet, wie der Film mit Pressestimmen zu Brüssel 1958 und dem von Ludwig Erhard (der Ruf als Nachbarn und Planer seines Bungalows am Tegernsee kannte) 1961 beauftragten Kanzlerbungalows zeigt.Ein besonders knackiges Adenauer-Zitat, das „mindestens zehn Jahre“ für den Architekten fordert, ist allerdings in seiner Platzierung zu Anfang und Ende des Films fast sensationalistisch eingesetzt, Betz unterschlägt nämlich das historische Umfeld der Worte: Den Einzug Kurt Georg Kiesingers in Kanzleramt und Bungalow nach vorzeitig beendeter Amtszeit des von Adenauer verhassten Erhard.Zudem bleibt die fällige ideologiekritische Analyse sowohl von Moderne-Feindlichkeit wie auch der Moderne selbst im Film leider eine ziemliche Leerstelle. Stattdessen übernimmt der Kommentar deren Idealisierungen ungebrochen in seine Aussagen, etwa wenn bei Würdigung von Rufs Amtsgerichts-Bau die Rede ist von der „gläsernen Fassade, die sozusagen die demokratischen Prozesse in der Justiz sichtbar macht“. Auch sonst erinnern die besserwisserischen Erklärungen der Kommentierung oft eher an Schulfunk als an Dokumentarfilm. Offenbar orientierte sich Autor und Regisseur Betz in Formfragen an der Tradition seiner Produktionsfirma Drei Wünsche, die bisher vor allem Werbe- und Imagefilme realisierte.Im Resümee wird dann geschwärmt vom Haus, das „Geschichte aufsaugt wie im Fall des Kanzlerbungalows“, oder davon, dass etwas „bleibt als flüchtiges, nahezu feenähnliches Geschöpf in der Erinnerung der Menschen wie die Pavillons in Brüssel“. Dann heißt es: „Die These bleibt: Gute Architektur schafft glückliche und zufriedenere Menschen. Ganz bestimmt beeinflusst sie demokratische Prozesse.“ Dazu gibt es im Film aber nicht etwa Bilder von Rufs lichtem Wohnhochhaus in Schwabing. Stattdessen lächelt Ludwig Erhard in die Kamera. Was soll das bloß sagen? Vor allem aber: Warum wurde die sehr naheliegende Chance vertan, genau hier auf die schon zur Produktionszeit des Films akuten neuen Kämpfe gegen moderne Architektur (etwa der AfD gegen das Bauhaus in Dessau) hinzuweisen? Sep Ruf hätte es verdient.Sep Ruf – Architekt der Moderne Johann Betz Deutschland 2025, 96 Minuten

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Von Veritatis

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