Joe Biden drohten viele Jahre Gefängnis, bis ihn sein Vater kurz vor Ende der Präsidentschaft zum „Justizopfer“ erklärt und begnadigt hat. Für die Republikaner die Entscheidung eines korrupten Politikers
Der gute Junge und sein Vater: Hunter mit Joe Biden im August 2024 in Chicago
Foto: Jim Bourg/Redux/laif
Mehr als zehntausend Anträge sind in den vier Joe-Biden-Jahren im „Gnadenbüro“ des US-Justizministeriums eingegangen. Verurteilte baten um Begnadigung oder reduzierte Strafen. Der Präsident hat derartige Ersuchen nur 157 mal bewilligt. Und dann kam Hunter Biden, der offenkundig nicht durch die Bürokratie gehen musste.
Der Vater hat den 54-jährigen Sohn, einen Anwalt, international tätigen Geschäftsmann, Lobbyisten und Künstler, soeben begnadigt für ihm angelastete Vergehen und Straftaten, die er vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Dezember 2024 begangen haben könnte. Joe Biden betrachtet Hunter als Opfer der Justiz und republikanischer Hetze. Kein „vernünftiger“ Mensch, der sich die Fakten ansehe, könne zu einem a
ch, der sich die Fakten ansehe, könne zu einem anderen Schluss kommen, als dass Hunter ausgesucht wurde, „weil er mein Sohn ist“, heißt es aus dem Weißen Haus.Hunter ist das Sorgenkind im Hause Biden, im Kontrast zum vorbildlich guten Sohn, dem 2015 an einem Gehirntumor verstorbenen Beau Biden, über den der Präsident häufig lobend spricht. Beau war Offizier im Irak, Generalstaatsanwalt von Delaware, dem Heimatstaat der Bidens, und unterwegs in den Fußstapfen seines Vaters. Hunter ist das nicht. Er kämpfte lange mit seiner Abhängigkeit von Crack und anderen Drogen.Bei seinen Geschäften im In- und Ausland, von Rumänien bis zur Ukraine und China, drängte sich häufig der Eindruck auf, dass hier einer mit der Prominenz seines Vaters Kasse machte – das sprichwörtliche gefundene Fressen für Donald Trumps Republikaner, die wilde Szenarien ersannen von der „Verbrecherfamilie Biden“. Sie dienten als Kontrastprogramm zur negativen Presse bei Trumps Gerichtsverfahren. Nun erfüllt Hunters Begnadigung einen ähnlichen Zweck angesichts der nach dem 20. Januar erwarteten Straferlässe für gewalttätige Erstürmer des Kapitols im Januar 2021.„Extravaganter Lebensstil“ statt SteuernDie Pressemitteilung des Justizministeriums vom September 2024 war in trockenem Amtsenglisch gehalten: Robert Hunter Biden habe sich vor dem Bundesgericht Los Angeles schuldig bekannt. Ihm wurde vorgeworfen, von 2016 bis 2019 Einkommenssteuern von wenigstens 1,4 Millionen Dollar nicht bezahlt und stattdessen einen „extravaganten Lebensstil“ finanziert zu haben.Bei der für den 16. Dezember vorgesehenen Verkündung des Strafmaßes drohten maximal 17 Jahre Gefängnis. Es wäre zum zweiten Urteil gegen Hunter gekommen. Beim ersten im Juni, verhängt in Delaware, ging es um Schusswaffenkontrolle, ein Lieblingsthema des Vaters. Die Anklage lautete, der Biden-Sohn habe 2018 einen Colt Cobra erworben und auf dem Kaufformular gelogen, als er angab, keine illegalen Drogen konsumiert zu haben.In einer Erklärung bei Fox News räumte Hunter Biden ein, er übernehme die Verantwortung für Taten „in den dunkelsten Tagen meiner Abhängigkeit“. Wegen seines tiefen Glaubens, der Liebe seiner Familie und Freunde sei er seit mehr als fünf Jahren clean. 2021 hat Hunter Biden ein autobiografisches Buch mit dem Titel Beautiful Things vorgelegt. Er beschrieb darin die Geschichte eines Mannes, der tief gefallen ist.Ein „ehrlicher Blick auf einen Süchtigen“, wie eine Rezension vermerkte, und auf ein aus den Fugen geratenes Leben. „Ich bin ein 51-jähriger Vater, der geholfen hat, drei wunderbare Töchter groß zu ziehen“, fand Biden. Zugleich habe er Crack-Kokain in Washington auf der Straße gekauft und seinen Stoff „in einem Hotel-Bungalow in Los Angeles gekocht“. Er habe Alkohol so dringend gebraucht, dass er eine Flasche nach dem Kauf noch auf dem Weg nach Hause habe öffnen müssen.Trump, Selenskyj und Hunters Job beim ukrainischen Energieunternehmen BurismaSelbst in schlechten Zeiten hat es Hunter Biden geschafft, als Berater Geld zu verdienen. Dass der jetzige Gnadenerlass auf das Jahr 2014 zurückgeht, ließ die Alarmglocken scheppern im trumpistischen Amerika. In jener Zeit nahm Hunter Biden Platz im Vorstand des ukrainischen Energieunternehmens Burisma. Der Vater hatte als Vizepräsident beträchtlichen Einfluss auf Barack Obamas Ukraine-Politik. Republikanische Politiker suchten lange und offenbar vergebens nach einer womöglich nicht legalen Verbindung von Biden senior zu Burisma.Während des Wahlkampfes 2020, als sich Trump und Biden gegenüberstanden, wurde bekannt, dass Ersterer den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj telefonisch bedrängt hatte, ihm einen „Gefallen“ zu tun, um Biden Schaden zuzufügen. Trumps Kampagne vertrat die abenteuerliche These, Joe Biden habe versucht, Ermittlungen gegen Burisma zu stoppen.In den vergangenen Jahren versuchte Hunter einen Neustart. Die Georges Bergès Galerie mit Niederlassungen in New York und Berlin ist nach eigenen Angaben stolz darauf, Kreative vorzustellen, von denen „die Kunstwelt von morgen definiert wird“. Einer dieser Künstler sei Hunter Biden, der wirkmächtige Gemälde kreiere von detailgetreu bis abstrakt, heißt es auf der Website der Galerie. Medienberichten zufolge kosten diese Werke Zehntausende von Dollar. Doch sollte auch der Künstler Hunter Biden nicht zur Ruhe kommen. Republikanische Politiker waren der Frage nachgegangen, ob Interessenten seine Bilder nur kauften, um sich mit dem Weißen Haus gut zu stellen.