Der rechtsextreme Kandidat Călin Georgescu wäre bei der Stichwahl vermutlich zum Staatschef gewählt worden, hätte das Verfassungsgericht nicht den Wahlakt annulliert. Das roch zunächst nach Staatsstreich, doch dann tauchte ein Video auf


Der rumänische Präsidentschaftskandidat Călin Georgescu

Foto: Andrei Pungovschi/Getty Images


Angesichts der syrischen Zeitenwende ist uns entgangen, dass sich zeitgleich in einem der größeren EU-Länder eben mal so ein, zwei versuchte Staatsstreiche abspielten. In Rumänien annullierten Richter eine komplette Wahl, und ein kahler Afrika-Söldner wedelte mit der Machete. Diese Aktionen sind schwer zu bewerten, wir wollen uns darum bemühen, zunächst aber die einfachere Übung: Das Ergebnis des ersten Wahlgangs des rumänischen Präsidentenvotums, das vom Verfassungsgericht keine 48 Stunden vor dem zweiten gecancelt wurde, zeigt unabweisbar, dass wieder ein europäisches Land – nicht das erste und wohl auch nicht das letzte – zu fragwürdigen Methoden greift.

Rumänien wurde dank seiner pan-romanischen Westorientierun

rientierung, seiner vier Millionen Malocher in Westeuropa und dank seines geradezu lautlosen Dienstes als NATO-Frontstaat zur Ukraine bisher schlicht übersehen. In der Zwischenzeit prasselten aber die Einschläge der Covid-, Impf-, Ukraine- und Inflationskrisen so dicht hernieder, dass im ersten Wahlgang am 24. November 23 Prozent (2,12 Millionen Stimmen), der (nach Polen) zweitreligiösesten und vermutlich abergläubischsten Gesellschaft der EU für einen rechtsextremen Esoteriker stimmten.Das postsozialistische Rumänien hätte Călin Georgescu vergangenen Sonntag vermutlich zum Staatschef gewählt. Gerade Gastarbeiter im Westen, die Maia Sandu, der pro-europäischen Präsidentin des kleinen Nicht-EU-Bruderstaats Moldawien kürzlich das Amt gerettet haben – schwärmen plötzlich für Georgescus antiwestliche Linie, die durch seine Vergangenheit als Nachhaltigkeitsexperte in internationalen Organisationen seriös und fundiert wirkt.Wer ihm am Abend der kassierten Wahl auf seinem Haussender Realitatea Plus zuhörte, konnte anderthalb Stunden von der Rezeptur des Erfolgs kosten. In einem fast schon einlullend staatsmännischen Ton haute Georgescu schockierende Analysen raus: „Wir haben hier postmodernen Feudalismus“ – „40 Prozent der Agrarnutzfläche gehört nicht Rumänen, sondern Ausländern“ – „Wasser wird teurer als Erdöl“ – „Die Angst im System ist sehr groß“. Dazwischen streute er gottselige Motivationsrhetorik: „Wenn du lieben kannst, kannst du sein. Wenn du sein kannst, kannst du machen.“ Obwohl er leise anklagte, dass „manche der Friede nicht interessiert, der Krieg interessiert sie“, rief er zu einer „Einigung aller Politiker“ auf.Putschversuch des „rumänischen Prigoschin“Bei der Komplett-Annullierung der Präsidentenwahl sah es dann relativ eindeutig danach aus, dass das Verfassungsgericht der nationalkonservativ-postkommunistischen Staatspartei PSD, einer tief in der Provinz verwurzelten Klientel-Struktur, neuerlich einen Gefallen tun wollte. Der Gerichtshof griff insgesamt dreimal in den Wahlprozess ein: Zunächst verbot es die Präsidentschaftskandidatur der rechtsextremen Impfgegnerin Diana Șoșoacă, was Georgescu den Weg in den zweiten Wahlgang ebnete. Als dem PSD-Kandidaten, Premier Marcel Ciolacu, im ersten Wahlgang ein paar tausend Stimmen für den Einzug in den zweiten fehlten, ordnete das Gericht eine hastige Neuauszählung an – die gesuchten Ciolacu-Stimmen fanden sich aber nicht. Schließlich die Absage der zweiten Runde, in der zwei PSD-feindliche Oppositionelle aufeinandertrafen.Gewiss, die geheimdienstliche Begründung der Annullierung klang schwerwiegend: Ein Kronstädter Unternehmer hätte eine Million Dollar aufgewendet, um das Netz kurz vor der Wahl mit Georgescu-freundlichen Clips auf Tiktok zu fluten. Der Nachweis einer direkten Verbindung zu Georgescu oder nach Russland fehlte jedoch.Die Behörden zogen dann aber eine beeindruckend blutrünstige Figur aus dem Hut: Horațiu Potra, in den 1990ern Soldat in der französischen Fremdenlegion, seither als bestens verdienender Söldner für Katar und afrikanische Regimes aktiv. Der Glatzkopf hatte prorussische Postings verfasst, ein Drohvideo mit Machete gedreht, eine Liste unliebsamer pro-westlicher Medienschaffender zusammengestellt und laut seinen Anklägern mit einem Söldnertrupp einen Marsch auf Bukarest geplant. Der Haken am Putschversuch des „rumänischen Prigoschin“ war, dass es Fotos von Potras mit einem PSD-Regionalpolitiker gab, aber nicht mit Georgescu. Dem wurde am Montag abgeholfen: Antena 3 CNN fand Bilder, die Georgescu und Potra in trauten Verhandlungen zeigen, womöglich im Gestüt des Söldners aufgenommen.Georgescu kam ins Stottern. Da der soignierte Rechtsextremist nun nicht mehr glaubwürdig widerlegen kann, in einen möglichen Putschversuch der Afrika-Söldner verwickelt zu sein, wird er wohl nicht so bald Präsident. Populär ist er weiterhin – der erste Clip auf seinem neuen Tiktok-Account wurde innerhalb nur eines Tages von vier Millionen angeschaut.



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Von Veritatis

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