Wahl-Skandal in Sachsen! Die Grünen haben die Fünf-Prozent-Hürde bei der zurückliegenden Landtagswahl vielleicht gar nicht geschafft und müssen den Landtag wieder verlassen.

von Stephan Kloss

Oft sprachen in der jüngsten Vergangenheit die selbsternannten „Parteien der demokratischen Mitte“ (CDU, SPD, Grüne etc.) davon, wie wichtig es sei, die Demokratie und ihre Institutionen vor dem Zugriff der „bösen Populisten“ zu schützen. Wenn es aber konkret darum geht, unsere freien Wahlen vor möglichen Fälschungen und Manipulationen zu schützen, verstecken sich Verantwortliche hinter bürokratischen Floskeln. So wie aktuell in Sachsen, wo es den begründeten Verdacht gibt, dass beim Auszählen der Stimmen nach der letzten Landtagswahl möglicherweise nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Der Verdacht ist deshalb besonders brisant, weil er auch infrage stellt, ob die Grünen es in Sachsen tatsächlich über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben.

Im September 2024 erschien auf Substack ein Artikel über rechnerische Auffälligkeiten beim Zusammenzählen der abgegebenen Stimmen zur Landtagswahl am 1. September. Der Verfasser ist ein IT-Spezialist aus Dresden und dem Autor bekannt. Der Informatiker hatte Screenshots der vom Landeswahlleiter in der Wahlnacht veröffentlichten Auszählungsstände gesehen. Die Echtheitserklärung liegt auch dem Autor vor. Was genau wird moniert? Es geht um den Anteil der Listenstimmen der sächsischen Grünen. Laut Screenshots waren ausgezählt:

  • um 22:48 Uhr 412 Gemeinden. Die Grünen kamen auf 3,7 Prozent
  • um 23:20 Uhr 431 Gemeinden. Die Grünen kamen auf 3,7 Prozent
  • um 23:33 Uhr 429 Gemeinden. Die Grünen kamen auf 4,5 Prozent 

Im Endergebnis kamen nach Auszählung aller 435 Gemeinden Bündnis90/Die Grünen auf einen Listenstimmenanteil von 5,1 Prozent. Auffällig: Zwischen 23:20 Uhr und 23:33 Uhr wurden zwei Gemeinden plötzlich weniger „als ausgezählt“ angezeigt, aber die Grünen gewannen 0,8 Prozentpunkte dazu. Wie kann das sein? Entweder handelte es sich um einen Softwarefehler oder das Wahllokal wurde erneut eröffnet (was natürlich unzulässig wäre). Der Dresdner Informatiker rechnete mit einem selbstgeschrieben Programm durch, ob der überraschende Stimmenzuwachs unter den gegebenen Bedingungen mathematisch nachvollziehbar wäre. Sein Ergebnis: nein. Das Fazit: Möglicherweise haben die sächsischen Grünen die 5-Prozenthürde überhaupt nicht erreicht. Die fragliche Diskrepanz beträgt anscheinend 5.518 Stimmen. Bisher weiß niemand, ob es sie wirklich gab oder woher sie kamen.

Aufklärung, Transparenz: Fehlanzeige

Es existiert auch bei demokratischen Wahlen eine Wahrscheinlichkeit, dass es zu Fehlern kommen kann. Berlin hat das bei der letzten Bundestagswahl eindrücklich gezeigt. In manchen Stimmbezirken wurden am Ende die Ergebnisse eher geschätzt als ausgezählt, weshalb die Wahl dort bekanntlich auch wiederholt werden musste. Solche Dinge geschehen auch aus Inkompetenz oder Systemversagen in der Organisation. Es muss also nicht zwingend ein Vorsatz zur Fälschung des Wahlergebnisses vorliegen, wenn das Ergebnis durch Fehlleistungen verfälscht wird.

Doch zurück zu den auffälligen Zahlen aus Sachsen. Lassen wir die begründeten Hypothesen des Dresdner Informatikers erst mal so stehen und blicken auf das, was danach passiert ist.

Zunächst wandte er sich am 12. September 2024 an den Landeswahlleiter und teilte seine Befunde und Bedenken mit. Außerdem erbat der Informatiker gemäß Informationsfreiheitsgesetz sowie Sächsischem Transparenzgesetz (SächsTransG) die Herausgabe des Quellcodes der am Wahltag verwendeten Wahlsoftware, die Systemprotokolle (des Wahlabends und die Erfassung der Ergebnisse) und die Datenbanken (oder Daten-Extrakte, die zur Speicherung und Verarbeitung der Wahldaten verwendet wurden).

Da es sich ja um eine freie, faire und demokratische Landtagswahl gehandelt hat, sollte seitens der demokratischen Institutionen (Landeswahlleiter und CDU-geführtes Innenministerium) eine Interesse an einer Aufklärung von vermuteten Unregelmäßigkeiten vorhanden sein. Aber: Monatelang versuchte der Dresdner Informatiker – per Brief und E-Mail – vom Innenministerium, vom Statistischem Landesamt sowie vom Wahlprüfungsausschuss des Sächsischen Landtags eine zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Ohne Erfolg.

„Sind Sie tätig geworden?”

Auch der Autor schrieb an das Statistische Landesamt Kamenz (Sitz des Landeswahlleiters) und bat um Informationen darüber, warum der Fall nicht aufgeklärt werden könne. Antwort:

„Ihre Anfrage bezieht sich auf einen Wahleinspruch gegen die Landtagswahl, diese ist an den Sächsischen Landtag zu richten.“ (E-Mail vom 18.2.2025 an den Autor)

Das hatte ich zwei Tage zuvor, am 16. Februar 2025, bereits getan und an den Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses des Sächsischen Landtags, Martin Modschiedler (CDU), Folgendes geschrieben:

Sehr geehrter Herr Modschiedler, die Landtagswahl vom 1.9.2024 ist am 15.9.2024 angefochten worden. Nachzulesen hier, hier und hier. Der Landeswahlleiter verweigert angeblich eine transparente Aufklärung. Welche Informationen haben Sie? Sind Sie bereits tätig geworden? Mit freundlichem Gruß

Die Antwort per E-Mail kam am 18. Februar 2025:

Vielen Dank für Ihre Nachricht. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen zu den internen Sitzungen des Wahlprüfungsausschusses keine Auskunft geben kann. Bei Fragen steht Ihnen die Pressestelle der CDU-Landtagsfraktion zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen

Herausgabe von Informationen gefährdet die Demokratie?

Ich durfte Einsicht in die Korrespondenz zwischen dem Beschwerdeführer und den verschiedenen Institutionen nehmen. Nach einer explorativen Dokumentendurchsicht ist das vorläufige Fazit doch erschreckend: Der Landeswahlleiter (dessen Büro), das Innenministerium, der Wahlprüfungsausschuss und der Verfassungsgerichtshof Sachsen (auch an den hatte sich der Informatiker gewandt) zeigten kein Interesse daran, mögliche Ungereimtheiten bei der Stimmenauszählung am 1. September 2024 zügig aufzuklären. Im Gegenteil. Mehrfach wurde der Beschwerdeführer schriftlich vertröstet, warum dieser oder jener Schritt, der zur Erhellung beitragen könnte, nicht möglich sei. Aus den Zeilen der Verwaltung roch es förmlich nach Desinteresse, Lustlosigkeit, Abwiegelung, stiller Arroganz, bürokratischem Schmalz und Paragraphenreiterei. (Elon, bitte übernehmen Sie! Wir brauchen D.O.G.E.!)

Das Büro des sächsischen Landeswahlleiters schrieb dem Beschwerdeführer am 5. Dezember 2024 in bestem Verwaltungsdeutsch als Begründung, warum die Herausgabe von Wahlsoftware, Systemprotokollen und Datenbanken nicht möglich sei:

„Die Bereitstellung der angefragten Informationen bzw. die Gewährung des Zugangs zu diesen würde detallierte Einblicke in Maßnahmen zur Datensicherheit und IT-Infrastruktur sowohl der Staatsverwaltung als auch bei den sächsischen Kommunen erlauben. Mit einer Zugänglichmachung würde damit das Schutzziel Vertraulichkeit unmittelbar und das Schutzziel Integrität potenziell bzw. mittelbar und in der Folge die Informationssicherheit gefährdet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine konkrete Gefahr gegeben ist – ausreichend ist vielmehr das Vorliegen der Möglichkeit einer Gefährdung … „

Sind Sie noch wach? Zugänglichmachung. Herrlich. Es kommt noch besser. Der Landeswahlleiter befürchtet, dass …

„ … aufgrund einer Veröffentlichung der angefragten Informationen bestehende Kenntnisse über eingesetzte Verfahren und Strukturen geeignet wären, mögliche Angriffspunkte auf die ordnungsgemäße Funktionsweise der eingesetzten Verfahren zu begründen. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte würde neben dem Risiko des Missbrauchs auch das Risiko einer Störung zentraler Informations- und Kommunikationswege zwischen den Wahlorganen begründen.“

Da steht es schwarz auf weiß: Wir sollen der Wahlorganisations-Bürokratie blind vertrauen. Nein, nachfragen geht gar nicht. Wo kommen wir denn da hin. Das könnte die Demokratie wahrscheinlich gefährden. Dabei sollte beim Umgang mit den Wählerstimmen größte Transparenz gelten. Die Auszählung der Stimmen im Wahllokal muss deshalb öffentlich, unter den Augen interessierter Bürger und Wähler erfolgen. Wer seine Stimme abgibt, sollte überprüfen können, ob sie auch richtig gezählt wird, das ist der so simple wie richtige Grundgedanke dahinter.

Aber dann muss er auch prüfen können, ob die weitere Verarbeitung des ausgezählten Stimmergebnisses korrekt verläuft. Die meisten Bürger sind dazu aufgrund mangelnder Informatik-Kenntnisse nicht in der Lage. Aber unser Informatiker schon. Doch die Behörde erklärt nun Informationen über die Verarbeitung der Wahldaten zur Ermittlung des Wahlergebnisses zur Geheimsache?

Nach Kenntnis des Autors hat die sächsische Bürokratie dem Beschwerdeführer kein einziges Angebot gemacht, um die potenziellen Ungereimtheiten beim nächtlichen Auszählungsprozess am 1. September 2024 gemeinsam aufzuklären.

Welche Folgen könnte es haben, wenn der Dresdner Informatiker recht hat? Im für die Grünen günstigsten Fall verlören sie ein Mandat. Im schlechtesten Fall sechs Landtagsmandate, die Fraktion müsste aufgelöst werden. Nur ein direkt gewählter Grüner würde im sächsischen Landtag verbleiben. Außerdem wäre dann die Frage zu klären, ob es sich um eine Panne oder eine gezielte Manipulation gehandelt hat. Das wäre eine Straftat gemäß § 107a Strafgesetzbuch.

Der nächtliche Wo-sind-die-Stimmen-für-die-Grünen-plötzlich-hergekommen-Fall hat noch aus einem anderen Grund einen bitteren Beigeschmack: Wenn sich im nicht allzu eng befreundeten Ausland die Opposition meldet und Wahlbetrug beklagt, erheben deutsche Unsere-Demokratie-Verteidiger sofort den moralischen Zeigefinger und fordern die restlose Aufklärung aller Vorwürfe. Aber wenn im eigenen Land die Auszählungsergebnisse einer Wahl angezweifelt werden, so wie aktuell in Sachsen, scheint das Motto zu sein: Aufklärung verzögern, verschleppen, verweigern, verschleiern, Kopf in den Sand. Wie sagte US-Vizepräsident J.D. Vance zutreffend auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 14. Februar in seiner hervorragenden Rede:

„Wir müssen mehr tun, als nur über demokratische Werte zu reden. Wir müssen sie auch leben.“

Thank you Mr. Vice President!

Demokratie leben bedeutet auch, dass Politik und Verwaltung die Nachfragen von kritischen Bürgern nicht abbügeln sollten. Besonders wenn es um den Schutz von freien Wahlen im eigenen Land geht.

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Von Veritatis

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