Nations League, FIFA-Club-WM, U21- und U19-EM, EM der Frauen.: Fußball kann man in heutigen Zeiten immer schauen. War das früher anders? Jein
An durchgehenden Sportveranstaltungen über das Jahr hat auch die Wettindustrie ein Interesse
Foto: Fleig/Eibner-Pressefoto/Picture Alliance
Diese Fußballsaison will kein Ende nehmen, immer noch einen Nachschlag bietet sie auf Bundesliga, La Liga, Serie A, Premier League, die ihre Meister längst ermittelt haben. Die Relegationsdramen, die eine Saison normalerweise beschließen, verblassen bereits in der Erinnerung, denn es geht weiter, immer weiter: Nations League, FIFA-Club-WM, U21- und U19-EM, EM der Frauen. Früher war das anders, oder?
Jein. Früher wurde nicht alles zum einzigartigen Event verklärt und noch nicht mal irgendwo übertragen – aber: Dass der Ball ständig zu rollen hatte, nicht jeden Tag zwar, doch an jedem Wochenende, das war schon vor fast sechzig Jahren so. Und schuld daran: die Wettindustrie.
Okay, hier die Auflösung: Als die Deutschen durch ihr Wirtschaftswunder Geld in die Taschen bekamen, gaben sie es fürs Glücksspiel aus. Am Lotto, damals nur samstags, kam niemand vorbei. Doch auch seinerzeit schon gab es Leute, die sich nicht allein auf den Faktor Glück verlassen, sondern mit ihrem Sachverstand punkten wollten: Sie setzten auf Fußball und seine Berechenbarkeit und spielten Elferwette oder die Auswahlwette 6 aus 45. Und weil der Deutsche Toto- und Lottoblock ungern auf Einnahmen verzichten wollte und das in anderen Ländern genauso war, musste dafür gesorgt werden, dass es Fußballspiele gab.
In einigen wenigen Nationen wie Schweden richtete die Saison sich nach dem Kalenderjahr und es herrschte daher auch hochsommers Ligenbetrieb, doch es brauchte mehr Spiele für den Tippschein. Beim 6 aus 45 setzte man auf die Partien, von denen man glaubte, sie würden am torreichsten unentschieden ausgehen. Dafür wurde 1967 der Intertoto-Cup geschaffen. Im zweiten Jahr, 1968, waren 50 Clubs vertreten. Teilnahmebedingung: nur nicht für einen Europacup-Wettbewerb qualifiziert sein.
Tippszene hat sich verändert
Als die UEFA sich 1994 den Intertoto-Cup unter den Nagel riss, ihn zum UI-Cup umgestaltete und strikte Qualifikationsregeln erließ, war es vorbei mit dem Zauber und der Leichtigkeit, dass einige Vereine außerhalb der Saison einfach so vor sich hin kickten. Gespielt wurde in Gruppen zu vier Teams, sechs Spieltage, und das war’s. Jeder, der seine Gruppe gewann, war Intertoto-Cup-Sieger. Hannover 96, der MSV Duisburg, Eintracht Braunschweig, die Stuttgarter Kickers, sie gewannen internationale Titel. In den teilnehmerstärksten Jahren wurden bis zu zwölf Intertoto-Cup-Sieger gekürt. Wobei: Einen physischen Pokal gab es nie. Man wollte nicht vorgaukeln, dass es um einen wahrhaften Preis gehe. Sondern einfach nur um Futter für die Zocker.
Irgendwann brauchte man keinen Intertoto- oder UI-Cup mehr, weil das Sportwettangebot ganzjährig groß genug ist, er wurde still zu Grabe getragen. Jeder Bundesligaklub steht heutzutage auch Pate für ein dubioses (chinesisches) Wettportal, die ganze Tippszene hat sich verändert. Umso erstaunlicher: Die staatliche Ergebnis- und Auswahlwette gibt es immer noch. Bei der letzten Ausspielung der (mittlerweile) Dreizehnerwette hatten 40 Spielende alle 13 Partien auf dem Schein richtig vorhergesagt in der Tendenz Heimsieg, Unentschieden, Auswärtssieg. Sie gewannen je 1.599 Euro. Ein lächerlicher Ertrag für seherische Fähigkeiten, in jeder Internet-Bude hätte es ein Vielfaches gegeben. Doch es scheint noch ehrenwerte Spieler zu geben. Die Generation Intertoto.
Der Sportreporter
Günter Klein ist Chefreporter Sport beim Münchner Merkur. Für den Freitag schreibt er die Kolumne „Der Sportreporter“.