In den USA sollen Worte wie „Rassismus“, „Frau“ oder „LGBTQ“ von staatlichen Webseiten und aus Dokumenten verschwinden und plötzlich schweigen die Autoren, die sich sonst lautstark über „Sprechverbote“ beschweren


In Washington D.C. wird der „Black Lives Matter“-Schriftzug, der den systematischen Rassismus gegen Schwarze in den USA anprangert, aus Sorge vor Donald Trumps Politik entfernt

Foto: Jacquelyn Martin / picture alliance / Associated Press


Es ist gerade nicht einfach, Nachrichten zu lesen. Nicht nur, weil Friedrich „Ich cancel deine Staatsbürgerschaft“ Merz bald Kanzler ist. Sondern auch, weil Donald Trump nun den feuchten Traum aller Rechten lebt und seinen Rassismus, seine LGBTQ- und Frauenfeindlichkeit mit viel Geld und Macht im Rücken ausleben kann.

Umso enttäuschender ist es, dass vielen deutschsprachigen Journalist*innen für das, was in den USA gerade passiert, nur hasenfüßige Umschreibungen einfallen. Fast als hätte man plötzlich vergessen, dass Journalismus mehr ist, als Pressemeldungen aus dem Weißen Haus abzutippen.

Der US-Präsident streicht derzeit flächendeckend DEI-Programme, also staatliche Programme für Diversität, Gleichberechtigung un

alismus mehr ist, als Pressemeldungen aus dem Weißen Haus abzutippen.Der US-Präsident streicht derzeit flächendeckend DEI-Programme, also staatliche Programme für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion. Das ist kein hochkomplexes, theoretisches Zeug, sondern soll praktisch für eine Annäherung an so was wie Chancengleichheit im Staatswesen sorgen – unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Behinderung oder sexueller Orientierung.Benennt es als das, was es ist: Staatliche ZensurLaut New York Times sollen aber nicht nur Personen, sondern auch Hunderte Wörter aus Regierungsdokumenten verschwinden, die sie beschreiben. Darunter Begriffe wie „Frau“, „Rassismus“, „Ungleichheit“, „unterrepräsentiert“, „LGBTQ“, „BIPoC“ und „Behinderung“.Ein Rückschritt in die 1950er Jahre, bewirkt von einem machtgierigen Politiker, der mithilfe noch machtgierigerer Parteigenossen und Silicon-Valley-Bros versucht, die Demokratie abzuschütteln. Erst werden alle abgeschoben, die er abschieben kann, und dann versucht er noch mehr abzuschieben, die er eigentlich nicht abschieben kann. Und schließlich werden all jene, die Trump und seine Bros als minderwertig empfinden, zurück an ihren vermeintlichen Platz in der Gesellschaft befördert.Eigentlich ist glasklar, was hier passiert. Nur in Deutschland ist die Berichterstattung dazu – nun ja, sagen wir mal: verhalten. Viele hätten nun „Angst, dass Diskriminierung in den USA wieder gesellschaftsfähig wird“, so die Tagesschau. „Trump sagt Wokeness den Kampf an“, schreibt sie. „Triggerwarnungen kommen wieder aus der Mode“, schreibt ntv. Und: „Wie in den USA nun der Kulturkampf um ,Wokeness‘ tobt (…)“, schreibt die Deutsche Welle und befindet: „Auch in Deutschland ist sie umstritten.“ Von großen Teilen der Medien kann man nicht viel erwarten, wenn nicht mal das Streichen des Wortes „Frau“ dazu veranlasst, sich vom Anti-Wokeness-Trip abzukehren.Identitätspolitik für reiche, weiße MännerDoch wo sind all die meinungsfrohen Journalist*innen? All jene, die sich einen Ruf damit erarbeitet haben, gegen jede Zensur in jeder Talkshow zu sitzen? Die bei jeder Bitte, das N-Wort aus einem Text zu streichen, auf Minderheiten losgehen und „Cancel Culture“ und „Sprechverbot“ gebrüllt haben, als hätte es jemals eine staatliche Instanz gegeben, die Antirassismus durchsetzt.Was ist mit all den Autor*innen, die sich über „Gender-Wahnsinn“ und „Wokistan“ mokiert haben? Alle, die immer gesagt haben, sie seien ja „für gleiche Rechte, aber …“ – wo sind sie denn jetzt alle, wenn mal tatsächlich staatliche Zensur betrieben wird?Vielleicht können wir den Moment nutzen, um uns auf eines zu einigen: Sprache schafft Realität. Deshalb versucht Trump nun, die Sprache zu beherrschen. Einige meinen, das habe er sich von „der Identitätspolitik“ abgeschaut. Dabei gibt es keine Politik, die keine Identitätspolitik ist. Vielmehr ist das, was Trump hier veranstaltet, Identitätspolitik par excellence. Identitätspolitik für reiche, weiße Männer – und alle, die sich ihnen so gerne anbiedern.



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Von Veritatis

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