Union, SPD und Grüne bringen ihre Grundgesetzänderung durch den alten Bundestag – und damit die Möglichkeit zu grenzenlosen Rüstungsausgaben. Ein schwarzer Tag für die Demokratie, deren Verteidigung dies dienen soll
Die neue Bundesregierung könnte fortan unbegrenzt Geld ausgeben für Soldaten, Waffen und Geheimdienste
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Immerhin spricht er noch nicht wie ein Feldherr. Obwohl Friedrich Merz nun alle Mittel in der Hand hat für das Werk eines solchen. Der 20. Deutsche Bundestag hat mit 512 zu 206 Stimmen und damit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit einer weitreichenden Änderung der Verfassung zugestimmt. CDU, CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben vor allem dafür gesorgt, dass eine Bundesregierung fortan unbegrenzt Geld ausgeben kann für Soldaten, Waffen, Geheimdienste und Militärhilfe für andere Staaten: „Whatever it takes“.
Doch keine zwei Wochen, nachdem der künftige Kanzler mit diesen Worten zum Ausdruck brachte, dass er zu allem bereit ist, wirkte Merz auch in der zweiten Debatte zu seinem Schuldenpaket fast verhuscht. Er, der noch am Tag vor
hte, dass er zu allem bereit ist, wirkte Merz auch in der zweiten Debatte zu seinem Schuldenpaket fast verhuscht. Er, der noch am Tag vor der Bundestagswahl über „grüne und linke Spinner“ gepoltert hatte, sprach im Parlament nun merklich leise. Ließ sich von der AfD aus dem Konzept bringen und vermittelte den Eindruck, als wäre ihm nicht ganz wohl bei dem, in was er da geraten ist. Dabei geht es Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen doch um ein „historisches Signal“, eine „klare Botschaft“ an „Freunde und Feinde“. Um nichts weniger als die Bereitschaft, die deutsche Demokratie notfalls auf dem Schlachtfeld zu verteidigen und die Erfüllung dessen, was Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) längst vorgegeben hat: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.“Ein Manöver, um das Votum des Souveräns bei der Bundestagswahl zu umgehenDoch wie steht es um diese angeblich nach außen zu verteidigende Demokratie im Inneren, wenn das neue Parlament von 82,5 Prozent der Wahlberechtigten längst bestimmt ist, und dennoch das alte zusammentritt, um im Schnelldurchlauf noch drei Grundgesetzartikel zu verändern? In der vier Parteien vor aller Augen solch ein Manöver wählen, um das Votum des Souveräns zu umgehen? In der die Grünen dies über all dies erst mit großen Worten beklagen, um dann sogleich mitzumarschieren in Richtung des größten Aufrüstungsprogramms der deutschen Geschichte?Rechtlich mag das zulässig sein. Politisch ist es fatal.Friedrich Merz, der einst die AfD halbieren wollte, wirkt bei all dem mehr wie ein Getriebener denn wie ein Gestalter. Vom sozialdemokratischen Landesfinanzminister des Saarlandes hat er sich ein Papier vierer Ökonomen servieren, dann von den Grünen 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz diktieren lassen. Für die Umsetzung seiner Wahlversprechen Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen bemüht er nun die Empfehlungen einer Kommission zur Staatsmodernisierung, die ein Ex-Minister und eine Verlegerin leiten. „Diese 180 Grad-Wende bedeutet einen Glaubwürdigkeitsverlust noch vor einer Regierungsbildung, an dem die Union schwer tragen und der sie möglicherweise nicht mehr loslassen wird“, prophezeit der konservative Vordenker Andreas Rödder in der Welt.Kriegstüchtig bis 2029 Doch die Konzessionen an SPD und Grüne, die Rödder beklagt, sollen ihren Zweck erfüllen. Das Sondervermögen Infrastruktur und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 dienen der Stütze und der Camouflage des Kerns dieser massiven Grundgesetzänderung, der grenzenlosen Aufrüstung. Straßen und Brücken, so steht es in der Grundgesetzbegründung, sollen saniert werden, damit sie die neuen Panzer tragen. Und wie bitte soll ein Land bis 2045 klimaneutral werden, wenn es bis 2029 kriegstüchtig sein will?Dieser Deal sei „fossile Industriepolitik“, schreibt der Ökonom Tom Krebs, „weil sie hauptsächlich auf die Förderung der Produktion von Rüstungsgütern abzielt, die einen intensiven Verbrauch fossiler Energieträger aufweisen“. Es werde in den kommenden Jahren keine nennenswerte Produktion von elektrisch betriebenen Panzern geben.Elektrisch betriebene Busse und Straßenbahnen gibt es hingegen längst. Sie anstatt Verbrenner-Pkw solle die kriselnde deutsche Autoindustrie produzieren, haben Klimaaktivistinnen wie Gewerkschafter immer wieder gefordert. Stattdessen hat im sächsischen Görlitz der Rüstungskonzern KNDS längst ein Werk des Zugherstellers Alstom übernommen, die Fertigung von Panzerteilen wird die von Straßenbahnen ersetzen. Die Fabrik des maladen VW-Konzerns in Osnabrück, so gerade der Rheinmetall-Chef, sei „gut geeignet“, um dort Militärfahrzeuge zu produzieren. Der VW-Chef zeigte sich dafür „grundsätzlich offen“.Panzer statt Straßenbahnen, Militär-Keynesianismus statt KlimaschutzMilitärfahrzeuge statt Personenkraftwagen, Panzer statt Straßenbahnen: Statt Klimaschutz herrscht nun Militär-Keynesianismus. Und der dient sicher nicht allein dem viel beschworenen Ziel der Abschreckung Russlands. Die Zahl der Panzer wie die der Artilleriesysteme allein der europäischen NATO-Staaten übertrifft die Moskaus jeweils um das Dreifache. Europas NATO-Mitglieder verfügen mit mehr als 2.000 Kampfflugzeugen über doppelt so viele wie Russland. 420 Milliarden Dollar Rüstungsausgaben auf der einen stehen 300 Milliarden auf der anderen Seite gegenüber.Nein, im Schuldenpaket des Friedrich Merz versteckt sich vor allem auch die Hoffnung, das Land vor der Deindustrialisierung zu bewahren. Das ist ein gefährliches Unterfangen. Wehe, wenn das dann doch in einen großen Krieg mündet. Dann wird der eben noch so leise Regierungschef plötzlich doch wie ein Feldherr klingen.