Wärmewende Die Klimabewegung ist in Aufregung: Wenn Gasheizungen „H2-ready“ sind, dürfen sie auch weiterhin eingebaut werden. Dabei eignet sich Wasserstoff nicht zum Heizen. Über eine Allzweckwaffe, die keine ist


Exklusiv für Abonnent:innen


|


Ausgabe 25/2023

Hier bekommt man das, was aus dem Elektrolyseur rauskommt: Wasserstoff

Hier bekommt man das, was aus dem Elektrolyseur rauskommt: Wasserstoff

Foto: Rupert Oberhäuser/Imago Images

Nach der Einigung der Ampel-Parteien in Sachen Gebäudeenergiegesetz war in der Klimabewegung die Aufregung groß: Die FDP habe die Wärmewende ausgebremst, hieß es da, zu spät werde die auf 2028 verschobene Verpflichtung wirken, keine fossilen Heizungen mehr einbauen zu dürfen. Vor allem aber: Eine reine Verlade aber sei die Möglichkeit, auch in Zukunft Gasheizungen einzubauen, wenn sie „Wasserstoff-ready“ seien. „Wieder der Bullshit mit den ‚Wasserstoff-Heizsystemen‘“, nannte es der Spiegel-Kolumnist Christian Stöcker: Die gebe es nicht und werde es auch nicht geben, sie seien eine „Fiktion der Gaslobby“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Wasserstoff eine Rolle als Wunderwaffe in Sachen grüne Transfor

nicht das erste Mal, dass Wasserstoff eine Rolle als Wunderwaffe in Sachen grüne Transformation spielen soll: Autos sollen damit angetrieben, Häuser geheizt und Industrien versorgt werden. Aber ist das überhaupt sinnvoll? Oder ist Wasserstoff bloß der Joker, der immer sticht, aber am Ende nie liefert? Und wovon ist hier eigentlich genau die Rede?Auf der Erde kommt Wasserstoff selten in Reinform vor, sondern meist gebunden, also etwa in Wasser oder Erdgas. Mit verschiedenen Verfahren kann dann reiner Wasserstoff gewonnen, je nach Verfahren mit unterschiedlichem Energieverbrauch und Auswirkung auf die Umwelt. Daraus ergeben sich unter anderem diese vier Unterarten: grauer, blauer, gelber und grüner Wasserstoff.Placeholder infobox-1Die Energie aus Wasserstoff kann zurückgewonnen werden, indem er entweder verbrannt oder in einer Brennstoffzelle verwendet wird. Die elektrische Effizienz der Verbrennung liegt bei circa 40 Prozent, die einer Brennstoffzelle bei bis zu 60 Prozent. In so einer Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff, wodurch eine chemische Reaktion stattfindet und Strom erzeugt wird, der dann beispielsweise zum Antrieb von Autos genutzt werden kann.Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland lag im Jahr 2022 bei 44 Prozent. Bis 2030 sollen in Deutschland Elektrolysekapazitäten von mindestens zehn Gigawatt zur Herstellung von Wasserstoff aufgebaut werden. Um Strom für diese Kapazität bereitzustellen, bräuchte man ein Sechstel des Photovoltaikstroms in Deutschland. Große Firmen wie Siemens und Thyssen-Krupp, aber auch Start-ups wie Sunfire aus Dresden steigen in den Grüner-Wasserstoff-Markt ein und wollen noch dieses Jahr die Elektrolyseur-Produktion hochfahren, um den zukünftigen Bedarf decken zu können. Doch um wirklich grünen Wasserstoff zu erzeugen, müssen erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik massiv ausgebaut werden.Die EU-Kommission schlägt vor, blauen Wasserstoff als „Übergangslösung“ zu nutzen. Dieser Ansatz findet die Zustimmung der fossilen Lobby, verlangsamt aber den Fortschritt von grünem Wasserstoff und somit auch die Energiewende immens. Denn das eigentliche Problem ist nicht der Wasserstoff selbst, sondern der Mangel an erneuerbaren Energien, um ausreichend grünen Wasserstoff herzustellen. Statt auf eine Übergangslösung zu setzen, sollten Zeit und Geld lieber in den Ausbau erneuerbarer Energien und deren Infrastruktur investiert werden.„H2-ready“ heißt leider nichtsWenn wir in Zukunft über einen Überschuss an erneuerbaren Energien verfügen, könnte Wasserstoff eine Möglichkeit sein, diese Energie über längere Zeiträume zu speichern. Vorteil: Im Gegensatz zu Batterien verliert Wasserstoff als Speichermedium mit der Zeit keine Energie. Doch es gibt technische Schwierigkeiten. So muss H2 für den Transport entweder verflüssigt oder unter Druck gesetzt werden. Dieser Vorgang ähnelt dem Transport von Erdgas, mit einem entscheidenden Unterschied: Wasserstoff muss zur Verflüssigung auf extrem tiefe Temperaturen von minus 253 Grad abgekühlt werden. Daher wird Wasserstoff bevorzugt im gasförmigen Zustand bei hohem Druck von 300 – 700 bar gelagert und transportiert. Ein hoher Druck birgt jedoch immer die Gefahr einer Explosion. Obwohl die Verflüssigung sicherer wäre, benötigt die Kühlung des Wasserstoffs 30 bis 40 Prozent der Energie, die der Wasserstoff speichert. Damit ist diese Art der Lagerung und des Transports ineffizient. Aufgrund dieser Herausforderungen bei Transport und Speicherung ist es am effizientesten, Wasserstoff direkt dort zu erzeugen, wo er verbraucht wird. Um grünen Wasserstoff überall nutzen zu können, ist ein Transport- und Handelsnetz erforderlich, das derzeit noch nicht entwickelt ist. Hier kann die bereits vorhandene Erdgasinfrastruktur in weiten Teilen genutzt werden. Es ist jedoch wissenschaftlicher Konsens, dass eine Umstellung der gesamten Erdgasinfrastruktur (Netze, Hausanschlüsse, Heizungen) weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll ist.Eingebetteter MedieninhaltManche Kritiker*innen sehen in der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit ihren „wasserstofftauglichen Gasheizungen“ oder „H2-ready“-Heizungen ein Schlupfloch für die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe. Sie dürfen bis 2045 weiterhin mit fossilem Gas betrieben werden, sofern sie technisch in der Lage sind, auch 20 Prozent Wasserstoff mitzuverbrennen. Die Umstellung der Netze würde aber für Kommunen und Verbraucher*innen wohl ein großes finanzielles Risiko bedeuten. Und dabei ist nicht einmal absehbar, dass in den nächsten Jahren genügend grüner Wasserstoff in Deutschland zur Verfügung steht, um Industrie, Spitzenlastkraftwerke und obendrein auch noch Gebäude zu versorgen. Das aber heißt: Als Brennstoff zum Heizen eignet sich Wasserstoff nicht.Tatsächlich ist die Wärmebereitstellung durch H2 sehr ineffizient, da nach Elektrolyse, Speicherung, Transport und Verbrennung nur etwa 30 Prozent der eingesetzten Energie zurückgewonnen werden können. Hätten wir unendliche Ressourcen an Erneuerbaren, wäre das kein Problem. Doch noch ist es nicht so weit. Statt also alte Erdgasheizungen auf Wasserstoff umzurüsten, wie es die Ampel vorhat, sollte man langfristig besser Wärmepumpen einsetzen, die mit grünem Strom betrieben werden. Eine Wärmepumpe kann aus einer Kilowattstunde Ökostrom drei bis fünf Kilowattstunden Wärme erzeugen. Wird jedoch mit einer Kilowattstunde Ökostrom Wasserstoff erzeugt, dieser transportiert und anschließend verbrannt, um Raumwärme bereitzustellen, kann nur eine halbe Kilowattstunde Wärme erzeugt werden. Man bräuchte also sechsmal so viele Windräder, um Wasserstoff statt Strom zum Heizen zu verwenden.Vorteil für die StahlindustrieÄhnlich verhält es sich im Bereich der Mobilität: Für die breite Anwendung in Privatfahrzeugen eignet sich Wasserstoff nicht. Durch die Verluste bei der Herstellung, dem Transport und der Lagerung ist zwei bis drei Mal mehr Strom erforderlich, um ein Elektrofahrzeug über Wasserstoff zu betreiben, anstatt es direkt mit Strom zu laden. Es gibt nur wenige Wasserstofftankstellen in Deutschland, da ihr Bau teuer ist. Außerdem ist der Wasserstoff in den vorhandenen Tankstellen meistens grauer Wasserstoff und daher nicht besonders umweltfreundlich.In der Industrie hingegen ist grüner Wasserstoff essenziell für das Erreichen der Pariser Klimaschutzziele: Mit seiner Hilfe ist es möglich, Deutschlands größte industrielle Treibhausgasverursacher klimafreundlich umzugestalten. So kann H2 in der Stahl- und Chemieindustrie gut eingesetzt werden. Zwar nicht als Energieträger, aber aufgrund seiner chemischen Eigenschaften: Insbesondere in der Stahlindustrie wird grüner Wasserstoff von großer Bedeutung sein, weil er dort Kohlenmonoxid ersetzen kann. Die Branche hat den höchsten Anteil an Treibhausgasemissionen in Deutschland und ist für sechs Prozent der deutschen Gesamtemissionen verantwortlich. Zur Umstellung der Stahlindustrie wird zwar ein neuer Produktionsprozess benötigt, allerdings entsteht anschließend nur noch Wasser als Nebenprodukt der Stahlherstellung – anstatt CO₂.Placeholder authorbio-1





Quelle Link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar