Glänzende Hochhausfassaden, der urbane Sound heulender Sirenen, Männer und Frauen in Anzügen, deren Smartphones fortwährend vibrieren. Das ist die eine Kulisse der sechsteiligen Drama-Serie Country Queen. Die zweite ist geprägt von einem unaufgeregten dörflichen Leben, vom Panorama der weiten Savannenlandschaft und von der harten Arbeit in den Minen. Country Queen ist die erste kenianische Netflix-Produktion (bei uns ist sie bei Arte zu sehen) und sie wechselt beständig zwischen der Businesswelt Nairobis und dem Dorf Tsilanga. Verbunden werden beide Orte über die Machenschaften des Goldbergbau-Konzerns Eco Rock. Denn der will sich neue Schürfrechte sichern und die Bewohner Tsilangas dazu bringen, ihr Dorfland zu verkaufen.

Die Stadt-Land-Polarit&

Die Stadt-Land-Polarität wird in starken Bildern eingefangen und findet ihre Entsprechung in den beiden Hauptfiguren Akisa (Melissa Kiplagat) und Mrs Sibala (Nini Wacera). Vivienne Sibala ist die skrupellose Konzernchefin von Eco Rock. Sie braucht das Gold im Boden Tsilangas dringend, um ihr Unternehmen wieder auf die Beine zu bringen. Auch Akisa ist Unternehmerin und in Tsilanga aufgewachsen. Als Einzige in ihrer Familie hat sie das Dorf verlassen und lebt nun ein Upper-Middle-Class-Dasein in der Hauptstadt, wo sie eine Event-Firma leitet. Verbunden sind beide Frauen über Max (Blessing Lung’aho), Vivienne Sibalas Ehemann und Geliebter von Akisa. Max versucht seinerseits verzweifelt, beiden Rollen gerecht zu werden.Schon das Figuren-Setting zeigt, wie verwoben die Handlungsstränge in Country Queen sind und in welch enger Beziehung Stadt und Land stehen. Akisa ist die Wandlerin zwischen beiden Welten. Weil ihr Vater im Sterben liegt, kehrt sie in ihr Heimatdorf zurück. Konstant muffelig gestimmt, will sie nur eines: ihren Vater unter die Erde bringen und schleunigst zurück nach Nairobi. Stattdessen muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen.Wie perfide Korruption funktioniertCountry Queen ist nicht nur spannend erzählt, sondern verhandelt brennende Themen im ostafrikanischen Musterland: festgefahrene patriarchale Strukturen auf dem Dorf, Kinderarbeit in den Goldminen und die Korruption, ohne die das Geschäft mit dem Gold nicht liefe. Was nach einem Abhaken von Schlagworten klingt, ist vielmehr eine differenzierte Ausarbeitung der Mechanismen all dieser Übel. Wie bei dem jungen Journalisten aus Nairobi, der sich der unhaltbaren Arbeitsbedingungen in den Goldminen annehmen will. Weil er und seine Frau ungewollt kinderlos sind, wird er von Eco Rock mit der Aussicht auf eine Kinderwunsch-Behandlung ruhig gestellt. Diese lebendige Ausarbeitung der Nebenfiguren zeigt, wie perfide Korruption funktioniert, und ermöglicht nebenbei vielfältige Einblicke in das Leben der kenianischen Mittel- und Oberschicht.All das wird ohne didaktischen Zeigefinger vermittelt. Der Serie gelingt es mühelos, zugleich ostafrikanische und mitteleuropäische Sehgewohnheiten zu bedienen. Ermöglicht wird das durch die Produktion. Regie, Drehbuch und Dreh lagen in kenianischer Hand, produziert hat die Serie das in Deutschland ansässige Unternehmen Good Karma Fiction. Die Produzent:innen hatten 2017 an einem Workshop der Deutsche Welle Akademie teilgenommen, ein Jahr später finanzierte das deutsche Entwicklungsministerium den Piloten. Schließlich sprang Netflix Africa auf und übernahm die Co-Produktion. Country Queen ist also auch ein Ergebnis deutsch-kenianischer Entwicklungszusammenarbeit im Filmsektor. Und damit erfolgreich. In Kenia führte die Serie wochenlang die Netflix-Charts an.Übrigens: Europäer:innen sieht man in der Serie erfrischenderweise äußerst selten, und wenn, dann taugen sie nicht zur Identifikation. So der Schweizer Roberto, der den Endabnehmer des schmutzigen Goldhandels repräsentiert und sich im Hotelzimmer mit Prostituierten vergnügt. Das mag etwas arg stereotyp daherkommen, aber Country Queen geht mit allen Eliten hart ins Gericht. Und so unterweist selbst der unbestechliche Gouverneur von Tsilanga seine kleptomanische Tochter in Sachen Politik: „Du stellst Forderungen, obwohl du deine moralische Integrität verloren hast? Gut. Das heißt, ich erziehe eine starke Politikerin.“



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Von Veritatis

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