Viele Menschen denken, Korallen seien bunte Unterwasserpflanzen in tropisch-türkisen Taucherrevieren. Doch das ist falsch. Einerseits, weil Korallen Tiere sind, keine Pflanzen. Und zweitens, weil sie auch in kälteren Meeresregionen, etwa in der Irischen See zwischen England und Dublin oder sogar im Meer vor Norwegen, leben können.
Mit ihrem komplexen Artenreichtum sind Korallenriffe – die größten von Tieren geschaffenen Strukturen auf der Erde, die dadurch entstehen, dass die Korallen Kalk ausscheiden – unersetzlich für die Ozeane und Ausgangspunkt für viele maritime Nahrungsketten. Korallenriffe dienen als riesige Kinderstube für kommerziell sehr wichtige Fische wie Zackenbarsch oder Schnapper, und auch für wirbellose Tiere wie Hummer. Studien zufolge beläuft sich der Wert der Korallenriff-Fischerei weltweit auf 6,8 Milliarden Dollar pro Jahr. Zudem sind die Riffe effektive Wellenbrecher, die bis zu 97 Prozent der Wellenenergie absorbieren – und so Erosionen und Fluten an den Küsten stark abfedern.
Zumindest noch! Nach Erhebung der Wissenschaft sind ein Drittel aller Riffe bereits tot. „Weitere 40 Prozent sind stark gefährdet, und nur das ungefähr letzte verbleibende Drittel ist noch in einem vergleichsweise guten Zustand“, erklärt Christian Wild von der Universität Bremen – und spricht von einer „ganz schlimmen Situation“. Geht das Korallensterben in diesem Tempo weiter, dauert es keine 25 Jahre mehr, bis 90 Prozent aller Korallen tot sind.
Ein Temperatursprung in der Temperatur der Ozeane
Mit dem „Climate Reanalyzer“ betreibt die Universität Maine ein einfaches Tool, um Wetterdaten für jedermann zugänglich zu machen. So nutzen die Wissenschaftler Stationsdaten, um die Durchschnittsoberflächentemperatur der weltweiten Ozeane abzubilden – seit 1980. Frappierend ist nicht so sehr, dass diese Temperatur immer weiter angestiegen ist, schließlich haben die Ozeane laut Weltklimarat IPCC 93 Prozent jener Wärmeenergie absorbiert, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt bislang zusätzlich auf der Erde verblieben sind. Frappierend ist vielmehr, was der „Reanalyzer“ seit Mitte März abbildet: Es gab nicht nur einen neuen Rekord mit 21,1 Grad, sondern einen wahren Temperatursprung. Verglichen mit der letzten Dekade sind die Ozeane seit April 2022 gleich um mehrere Zehntel Grad wärmer geworden.
71 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt, Wärme aus der Luft gelangt viel einfacher in die Ozeane als beispielsweise in Sand oder Ton. Bis 2019, ermittelte ein chinesisches Forscherteam um den Atmosphärenphysiker Lijing Cheng, haben die Ozeane die unvorstellbare Menge von 228 Zettajoule aufgenommen: Die Vorsilbe „Zetta“ steht für eine Eins mit 21 Nullen. Um diese Energiemenge anschaulich zu machen, rechnete das Team sie in die Energie der Hiroshima-Bombe um. Demnach gelangte in den vergangenen 25 Jahren die Energie von 3,6 Milliarden Hiroshima-Atombomben in die Ozeane. Das entspricht etwa vier Hiroshima-Bomben pro Sekunde. Ein Vierteljahrhundert lang.
Dass das nicht ohne Folgen bleibt, liegt auf der Hand: Nach Erkenntnis des Weltklimarates IPCC gehen bei einem Anstieg der globalen Temperatur um 1,5 Grad Celsius zwischen 70 und 90 Prozent aller Korallenriffe verloren. Erreicht die menschengemachte Klimaerhitzung durchschnittlich zwei Grad, dürften sogar 99 Prozent dieser mit Algen symbiotisch lebenden Nesseltiere weg sein. Aktuell ist die Menschheit auf Drei-Grad-plus-Kurs.
Hitze ist Gift für Korallen
Nun kommt aber eine neue Studie zu dem Ergebnis: Bereits bei 1,5 Grad ist Schluss mit den Korallen. Ein Team um Adele Dixon von der University of Leeds nutzte für seine Arbeit die neuesten Klimamodelle des IPCC. Diese kombinierten die Wissenschaftler mit hochauflösenden Satellitenmessungen, bei denen weltweit mit einer Genauigkeit von einem Kilometer die Oberflächentemperatur der Meere bestimmt wird. Hauptaugenmerk legten die Wissenschaftler dabei auf sogenannte „thermische Refugien“: Meeresgebiete, die trotz global steigender Temperaturen immer noch gute Bedingungen für Korallen bieten, beispielsweise weil Meeresströmungen kälteres Wasser aus der Tiefe heranschaffen.
Die Häufigkeit von Tagen mit unnormal hoher Wassertemperatur hat in den vergangenen hundert Jahren global um 34 Prozent zugenommen. Hitze ist aber Gift für Korallen. Sind die Wassertemperaturen lange zu hoch, stoßen die koloniebildenden Nesseltiere jene Algen ab, mit denen sie in Symbiose leben und von denen sie sich ernähren. Als „Korallenbleiche“ wird dieser Schutzmechanismus bezeichnet, weil es die Algen sind, die den Korallen ihre Farbenpracht verleihen. Allerdings bedeutet anhaltende „Bleiche“ nichts anderes als Tod: Ohne die Symbiose mit den photosynthetisch aktiven Algen sterben die Steinkorallen-Stöcke ab. Im Durchschnitt dauert es nach einer maritimen Hitzewelle mindestens zehn Jahre, bis sich die Korallengemeinschaft wieder erholt. In den „thermischen Refugien“ geht das, aktuell liegen 84 Prozent aller Korallenriffe noch in solch thermischen Refugien. Steigt global die Temperatur jedoch um durchschnittlich 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, liegen nur noch 0,2 Prozent der Korallenriffe in solchen Refugien. Die Überlebenschance sinkt also gegen null.
Aber es geht ja nicht einfach so weiter, sondern beschleunigt sich: Im Jahr 2022 wurde ein neuer Rekord des Wärmegehalts der Weltmeere in null bis 2.000 Meter Tiefe aufgezeichnet. Demnach hat das Ozeanwasser in den zwölf Monaten etwa zehn weitere Zettajoule an Energie aufgenommen. Das entspricht ungefähr der 100-fachen Energie der weltweiten Stromerzeugung im Jahr 2021.
Überraschend ist die Messkurve des „Climate Reanalyzer“ deshalb also nicht. Und weil steigende Temperaturen in den Weltmeeren dafür sorgen, dass der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt, leiden nicht nur die Korallen: Das ganze maritime Ökosystem steht in vielen Regionen vor dem Kollaps. Zudem nimmt die Fähigkeit des Phytoplanktons – das sind einzellige Pflanzen, die in den Oberflächengewässern der Ozeane leben – ab, Kohlendioxid zu binden. Das heizt wiederum den Klimawandel weiter an. Ein Teufelskreis.
wie Hummer. Studien zufolge beläuft sich der Wert der Korallenriff-Fischerei weltweit auf 6,8 Milliarden Dollar pro Jahr. Zudem sind die Riffe effektive Wellenbrecher, die bis zu 97 Prozent der Wellenenergie absorbieren – und so Erosionen und Fluten an den Küsten stark abfedern.Zumindest noch! Nach Erhebung der Wissenschaft sind ein Drittel aller Riffe bereits tot. „Weitere 40 Prozent sind stark gefährdet, und nur das ungefähr letzte verbleibende Drittel ist noch in einem vergleichsweise guten Zustand“, erklärt Christian Wild von der Universität Bremen – und spricht von einer „ganz schlimmen Situation“. Geht das Korallensterben in diesem Tempo weiter, dauert es keine 25 Jahre mehr, bis 90 Prozent aller Korallen tot sind.Ein Temperatursprung in der Temperatur der OzeaneMit dem „Climate Reanalyzer“ betreibt die Universität Maine ein einfaches Tool, um Wetterdaten für jedermann zugänglich zu machen. So nutzen die Wissenschaftler Stationsdaten, um die Durchschnittsoberflächentemperatur der weltweiten Ozeane abzubilden – seit 1980. Frappierend ist nicht so sehr, dass diese Temperatur immer weiter angestiegen ist, schließlich haben die Ozeane laut Weltklimarat IPCC 93 Prozent jener Wärmeenergie absorbiert, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt bislang zusätzlich auf der Erde verblieben sind. Frappierend ist vielmehr, was der „Reanalyzer“ seit Mitte März abbildet: Es gab nicht nur einen neuen Rekord mit 21,1 Grad, sondern einen wahren Temperatursprung. Verglichen mit der letzten Dekade sind die Ozeane seit April 2022 gleich um mehrere Zehntel Grad wärmer geworden.71 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt, Wärme aus der Luft gelangt viel einfacher in die Ozeane als beispielsweise in Sand oder Ton. Bis 2019, ermittelte ein chinesisches Forscherteam um den Atmosphärenphysiker Lijing Cheng, haben die Ozeane die unvorstellbare Menge von 228 Zettajoule aufgenommen: Die Vorsilbe „Zetta“ steht für eine Eins mit 21 Nullen. Um diese Energiemenge anschaulich zu machen, rechnete das Team sie in die Energie der Hiroshima-Bombe um. Demnach gelangte in den vergangenen 25 Jahren die Energie von 3,6 Milliarden Hiroshima-Atombomben in die Ozeane. Das entspricht etwa vier Hiroshima-Bomben pro Sekunde. Ein Vierteljahrhundert lang.Dass das nicht ohne Folgen bleibt, liegt auf der Hand: Nach Erkenntnis des Weltklimarates IPCC gehen bei einem Anstieg der globalen Temperatur um 1,5 Grad Celsius zwischen 70 und 90 Prozent aller Korallenriffe verloren. Erreicht die menschengemachte Klimaerhitzung durchschnittlich zwei Grad, dürften sogar 99 Prozent dieser mit Algen symbiotisch lebenden Nesseltiere weg sein. Aktuell ist die Menschheit auf Drei-Grad-plus-Kurs.Hitze ist Gift für KorallenNun kommt aber eine neue Studie zu dem Ergebnis: Bereits bei 1,5 Grad ist Schluss mit den Korallen. Ein Team um Adele Dixon von der University of Leeds nutzte für seine Arbeit die neuesten Klimamodelle des IPCC. Diese kombinierten die Wissenschaftler mit hochauflösenden Satellitenmessungen, bei denen weltweit mit einer Genauigkeit von einem Kilometer die Oberflächentemperatur der Meere bestimmt wird. Hauptaugenmerk legten die Wissenschaftler dabei auf sogenannte „thermische Refugien“: Meeresgebiete, die trotz global steigender Temperaturen immer noch gute Bedingungen für Korallen bieten, beispielsweise weil Meeresströmungen kälteres Wasser aus der Tiefe heranschaffen.Die Häufigkeit von Tagen mit unnormal hoher Wassertemperatur hat in den vergangenen hundert Jahren global um 34 Prozent zugenommen. Hitze ist aber Gift für Korallen. Sind die Wassertemperaturen lange zu hoch, stoßen die koloniebildenden Nesseltiere jene Algen ab, mit denen sie in Symbiose leben und von denen sie sich ernähren. Als „Korallenbleiche“ wird dieser Schutzmechanismus bezeichnet, weil es die Algen sind, die den Korallen ihre Farbenpracht verleihen. Allerdings bedeutet anhaltende „Bleiche“ nichts anderes als Tod: Ohne die Symbiose mit den photosynthetisch aktiven Algen sterben die Steinkorallen-Stöcke ab. Im Durchschnitt dauert es nach einer maritimen Hitzewelle mindestens zehn Jahre, bis sich die Korallengemeinschaft wieder erholt. In den „thermischen Refugien“ geht das, aktuell liegen 84 Prozent aller Korallenriffe noch in solch thermischen Refugien. Steigt global die Temperatur jedoch um durchschnittlich 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, liegen nur noch 0,2 Prozent der Korallenriffe in solchen Refugien. Die Überlebenschance sinkt also gegen null.Aber es geht ja nicht einfach so weiter, sondern beschleunigt sich: Im Jahr 2022 wurde ein neuer Rekord des Wärmegehalts der Weltmeere in null bis 2.000 Meter Tiefe aufgezeichnet. Demnach hat das Ozeanwasser in den zwölf Monaten etwa zehn weitere Zettajoule an Energie aufgenommen. Das entspricht ungefähr der 100-fachen Energie der weltweiten Stromerzeugung im Jahr 2021.Überraschend ist die Messkurve des „Climate Reanalyzer“ deshalb also nicht. Und weil steigende Temperaturen in den Weltmeeren dafür sorgen, dass der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt, leiden nicht nur die Korallen: Das ganze maritime Ökosystem steht in vielen Regionen vor dem Kollaps. Zudem nimmt die Fähigkeit des Phytoplanktons – das sind einzellige Pflanzen, die in den Oberflächengewässern der Ozeane leben – ab, Kohlendioxid zu binden. Das heizt wiederum den Klimawandel weiter an. Ein Teufelskreis.