Die Vielfalt der Dresdner Musikfestspiele reicht längst über die Klassik hinaus. Aber auch innerhalb derer herrscht Vielfalt. Am ersten Wochenende stand einem Orchester der Weltspitze einer der jüngsten Dirigenten gegenüber, zudem gab es einen Klavierabend im Palais im Großen Garten.
Anders als im vergangenen Jahr, als Gastorchester für stetige Steigerungen sorgten, begannen die Dresdner Musikfestspiele (DMF) nach dem Vorabend mit der „Walküre“ gleich mit dem bestmöglichen: zumindest nominell lässt sich das Koninklijk Concertgebouworkest, das zu den drei weltweitbesten Klangkörpern zählt, nicht mehr übertreffen. Erst kürzlich haben die Amsterdamer Klaus Mäkelä (28) zu ihrem künftigen Chefdirigenten gewählt. Allerdings erst ab 2027.
Im Eröffnungskonzert am Freitag im Dresdner Kulturpalast stand einzig Anton Bruckners 5. Sinfonie auf dem Programm. Ihr Werden vollzog sich über elf Jahre, dafür blieb ihr die Vielfalt der Fassungen manch anderer Bruckner-Sinfonie erspart.
Der Herausforderung, die Spannung in so einem monolithisch-komplexen Gebilde herauszuarbeiten, wurde Mäkelä im wesentlichen gerecht. Am Ende des beeindruckenden Abends blieb indes eine Spur Enttäuschung allein deshalb, weil sich die Erwartung überirdischer Magie nicht ganz erfüllt hatte. Das genügte, um den Gesamtklang weniger glänzen zu lassen, auch (oder gerade weil) etwa die Celli besonders schön herausstachen.
Manches bleibt Geschmackssache. Etwa in Sachen Vibrato – für die einen formt es wesentlich den Klang, für die anderen ist es ein Relikt der romantischen Rezeption des letzten Jahrhunderts. Die Wahrheit liegt ganz bestimmt nicht „in der Mitte“! Mit seinem sparsamen Vibrato gab das Orchester durchaus ein Stück Klangsubstanz her, dennoch musste man verblüfft feststellen, dass Klaus Mäkelä in manchen fast vibratolosen Passagen einen mystischen Bruckner-Klang formte.
Substanziell hatte das Concertgebouworkest einiges zu bieten, wie bruchlose, gehauchte Legatobögen, fließende Übergänge – hier war die Spannung absolut da. Exquisit überzeugte auch die Qualität der Bläser mit einer wunderbaren Horngruppe um Katy Woolley. So gelangen immer wieder Fokussierungen, wie im dritten Satz, der ungemein „Brahmsisch“ geriet. Mit der motivischen Rückkehr im Finale fand die Sinfonie fast an den Ausgangspunkt zurück, erfuhr aber durch den apotheotischen Schluss eine Überhöhung.
Pianist Francesco Piemontesi, der tags darauf im Palais im Großen Garten auftrat, hatte noch für eigenwillige Werkkombinationen und Reihenfolgen gute Erklärungen: Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 30 eröffne geradezu eine impressionistische Farbpalette, Claude Debussys Préludes könne man also nahtlos anschließen. Piemontesi fand in der Waldstein-Sonate Gelegenheit, Verweildauern wachsen zu lassen und damit Beethovens Vehemenz noch zu steigern. Den Spannungsraum zwischen Beruhigung und Erregung reicherte er mühelos ebenso mit feingliedrigem Spiel an, wie er es durch manch fast hastige Energieentladung steigerte. Und doch legte er auch Beethovens sanfte Seite offen, eine Introduzione im Stil eines Nocturne.
Mit seiner stupenden Technik und einem raffinierten Pedaleinsatz wusste sich Francesco Piemontesi als Erzähler zu präsentieren. Das blieb nach der Pause so, freilich waren die „Bilder“ nun andere – Claude Debussys Préludes (2. Buch). Hier zeigte sich, wie aus der bei Beethoven geschärften Struktur feine Zeichnungen entstanden – noch für „Brouillards“ (Nebel) sind kleinste Konturen wichtig! Denn gerade einem irisierenden Eindruck wäre das Verschwimmen oder Verkleistern der Farben abträglich.
Aus Piemontesis Bildern tauchten immer wieder Details, Ornamente oder Segmente auf, nicht zuletzt, weil er die Gewichtung gegenüber dem Bass lebendig erhielt, sodass auch die linke Hand Objekte zu zeichnen schien. Im Ganzen lag ein Gleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Schwere über den Préludes, das der Pianist immer wieder belebend verschob, ohne jedoch die Farben zu verfälschen. musikfestspiele.com
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