Von Daniel Weinmann
Da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten via Zwangsgebühren finanziell üppig alimentiert sind, sollte zu erwarten sein, dass deren Redaktionen in puncto Wirtschaft nicht nur umfangreich, sondern auch ausgewogen berichten.
„Nur eine faktenbasierte, qualitativ hochwertige Berichterstattung kann eine verlässliche Informationsbasis liefern, sodass sich das Publikum ein fundiertes Bild wichtiger wirtschaftspolitischer Problemstellungen machen kann“, bringen es Henrik Müller und Gerret von Nordheim auf den Punkt. „Ohne eine verlässliche, qualitativ hochwertige und zugleich verständliche Berichterstattung kann sie nicht gelingen.“
Der Journalistik-Professor an der TU Dortmund und der Dokumentationsjournalist beim „Spiegel“ wollten wissen, ob die Wirtschaftsberichterstattung von ARD und ZDF diesen Ansprüchen genügt. Für ihre 88 Seiten umfassende Studie haben sie zwischen September 2022 und Februar vergangenen Jahres genau 5778 Sendungen mit 3.400 Stunden Programm unter die Lupe genommen. Die Studie mit dem Titel „Viel Kraft – wenig Biss“ ist an diesem Dienstag von der Otto Brenner Stiftung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund veröffentlicht worden.
»Kontinuität und Kontextualisierung der Berichterstattung ließen zu wünschen übrig«
Das Kernergebnis der 88 Seiten umfassenden Arbeit: Die Wirtschaftsberichterstattung von ARD und ZDF sei zwar „beachtlich“. Nachrichtensendungen, Talkshows und Politmagazine widmen demnach immerhin rund ein Fünftel ihrer Sendezeit wirtschaftspolitischen Themen.
Die Themensetzung werde aber stark von der Bundespolitik getrieben: „Die Nachrichtenformate folgen in ihrer wirtschaftspolitischen Berichterstattung in weiten Teilen der Agenda des politischen Berlins.“ Kontinuität und Kontextualisierung der Berichterstattung ließen zu wünschen übrig, bemängelt das Autorenduo. „Insbesondere die Wirtschaftsmagazine adressieren ihr Publikum überwiegend als Verbraucherinnen und Verbraucher, andere Perspektiven bleiben unterbelichtet.“
In der Gesamtschau über alle Formate hinweg mangele es an einer wirtschaftspolitischen Berichterstattung mit vorausschauender Perspektive, eigener Schwerpunktsetzung und Kontextualisierung der behandelten Themen. Die häufige mediale Konzentration auf tagespolitischen Streit für einzelne Themen, insbesondere die Sozialpolitik, gehe mit Qualitätseinbußen einher.
Medienstaatsvertrag wird einmal mehr ad absurdum geführt
Das Fazit ist bezeichnend für die Arbeit der durch Zwangsgebühren finanzierten Staatssender ARD und ZDF: „Trotz des großen Sendevolumens bleibt die wirtschaftspolitische Berichterstattung der Öffentlich-rechtlichen lückenhaft: Sie orientiert sich in weiten Teilen eng an der bundespolitischen Agenda, setzt wenig eigene Themenschwerpunkte und sucht zu selten die Konfrontation mit Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft.“
Der Medienstaatsvertrag erscheint vor diesem Hintergrund einmal mehr als Luftnummer. Darin heißt es: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“
Die Realität ist offensichtlich eine andere – und es steht zu vermuten, dass auch die Analyse der Otto Brenner Stiftung zu keinerlei Konsequenzen führen wird. Warum auch? Denn, „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Diese aus dem Mittelalter stammende Redewendung könnte aktueller kaum sein.
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Ralf Liebhold/Shutterstock