Die Ideen des pädophilen Sexualpädagogen Helmut Kentler sind allgegenwärtig. Kitas in ganz Deutschland führen „Rückzugsräume“ ein, in denen Kleinkinder ihre Körperöffnungen „erkunden“ sollen. Wenn die Fälle öffentlich werden, rudern die Träger zurück.
von Hinrich Rohbohm
Sie nennen es „Rückzugsräume“ oder „Zimmer für Körpererfahrungen.“ Doch das, was eine bestimmte Gruppe von Sexualpädagogen in ihren Konzepten für Kindergartenkinder dahinter verbirgt, ist etwas, das Eltern in mehreren Orten Deutschlands zunehmend in Alarmbereitschaft versetzt.
Wie im ersten Teil dieser Reportage beschrieben, hatte die Leitung des Kindergartens Freytagstraße in Hannover im Sommer vergangenen Jahres einen als Masturbationsraum in die Schlagzeilen geratenen Rückzugsort für Doktorspiele in ihrer Einrichtung geplant. Nach Bekanntwerden von Details dieses Konzepts stoppte das niedersächsische Kultusministerium das Vorhaben. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Betreiber der Tagesstätte distanzierte sich, sprach von Mißverständnissen in der Kommunikation.
Nach Recherchen der JUNGEN FREIHEIT handelt es sich bei dem in die Kritik gerateten Regelwerk jedoch keinesfalls um eine bloße Eigeninitiative eines einzelnen Erziehers. Vielmehr ist es Teil einer Ideologie von Frühsexualisierung, deren Ursprünge bis in die Zeit der 68er-Revolte reichen und in engem Zusammenhang mit dem Wirken des 2008 verstorbenen Sexualwissenschaftlers und Sozialpädagogen Helmut Kentler stehen, der nach seinem Tod als pädophiler Straftäter überführt werden konnte.
Einflußreiche Kentler-Schüler
Nachforschungen zur Aufarbeitung des sogenannten Kentler-Skandals hatten unter anderem ergeben, daß der Pädagogik-Professor Pflegekinder an vorbestrafte Pädokriminelle vermittelt hatte, was er der Öffentlichkeit als „wissenschaftliches Experiment“ verkaufte. In seinem Buch „Leihväter“ hatte er zudem die Pädosexualität als förderliche pädagogische Methode beschrieben.
Zu seinen Anhängern und Schülern zählt der Sexualwissenschaftler Uwe Sielert, der seit den achtziger Jahren maßgeblichen Einfluß in bezug auf Empfehlungen des Bundesfamilienministeriums zur Aufklärungsarbeit bei Kindern und Jugendlichen ausübt. Sielert gilt als Begründer der sogenannten „Sexualpädagogik der Vielfalt“, die heute an zahlreichen Schulen und Kindergärten zur Standarderziehung gehört.
Daran wirkt auch Sielerts Ehefrau, die Diplom-Pädagogin Christa Wanzeck-Sielert mit, die im März 2020 bei einem Fachtag zum Thema Kindliche Sexualität des Vereins Pro Familia im schwäbischen Waiblingen unter dem Motto „Puppenmama und Hand in der Hose“ als Referentin aufgetreten war. Wantzeck-Sielert ist auch Autorin des Buches „Mädchen und Jungen in der Kita. Körper, Gender, Sexualität“, das bundesweit als Standardwerk für die sexualpädagogischen Leitlinien von Kindergärten gilt. Der Vortrag Wanzeck-Sielerts erfolgte auf jener Fachtagung, von der die nahezu wörtlich übernommenen Sexraum-Regeln der AWO-Kita Freytagstraße in Hannover stammen. Und die sich nicht nur dort wiederfinden.
„Das Kind zieht nur so viele Kleidungsstücke aus, wie es freiwillig möchte“
Auch im Kindergarten „Maria Königin“ des 20.000-Einwohner-Städtchens Schramberg im Schwarzwald hatte die Kita-Leitung die Eltern per E-Mail über einen Rückzugsraum informiert, in dem sogenannte Doktorspiele stattfinden würden. Das war am 26. April vorigen Jahres. Und auch hier sind es die gleichen bekannten Sätze, wie sie auf der Fachtagung und bei Pro Familia vorkommen. „Das Kind zieht nur so viele Kleidungsstücke aus, wie es freiwillig möchte“, heißt es auch hier. „Es werden keine Gegenstände und Finger in Körperöffnungen eingeführt“, müssen die Eltern auch hier lesen.
Nur die Bezeichnung des Raumes variiert. Mal ist von „Rückzugsmöglichkeit“ die Rede, dann von „Rückzugsraum“ oder von einem „Wissenschaftszimmer.“ Die Kinder würden dabei „nicht ganz unbeaufsichtigt“ bleiben. „Wie beruhigend“, meint eine betroffene Mutter dazu sarkastisch im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Wie die meisten Eltern möchte auch sie anonym bleiben, doch die Empörung über diesen Vorgang „war bei mir und auch bei anderen Vätern und Müttern groß“, sagt sie.
Ähnlich wie in Hannover ruderten die Verantwortlichen in Schramberg zurück, nachdem die E-Mail an die Öffentlichkeit geraten war. Die katholische Diözese Freiburg als zuständiger Träger des Kindergartens strich die Sexraum-Pläne. „Auf einem Elternabend wurde das Thema angesprochen“, erinnert sich die Mutter. Ergebnis: Keine Rückzugsräume. „Das Thema ist vielen äußerst unangenehm, auch mir. Es wurde schnell deutlich, daß eigentlich niemand unter uns Eltern solche Sex-Experimente in irgendwelchen abgeschiedenen Räumen will, und das haben wir den Erziehern auch sehr deutlich zu verstehen gegeben“, schildert die Mutter den Protest dagegen.
Betroffene Eltern wollen anonym bleiben
Ähnlich verlief es in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Kerpen bei Köln. Dort wollte der katholische Kindergarten St. Rochus den Kindern voriges Jahr gestatten, sich „ihren Bedürfnissen entsprechend in einen geschützten Raum“ zurückzuziehen, „um sich körperlich zu entdecken und zu befriedigen“. Eine Beschreibung, die der Bezeichnung als Masturbationsraum gerecht wird.
Die Kita-Leitung legte auch hier ein sexualpädagogisches Konzept vor. Eines, das denen der Kindergärten Freytagstraße und „Maria Königin“ ähnelt. Und auch die Reaktion der Verantwortlichen verläuft nach dem vertrauten Muster. So spricht die Stadt Kerpen davon, daß das Kita-Konzept „mißverständlich interpretiert“ werden könne. Das Erzbistum Köln als kirchlicher Träger der Tagesstätte dementiert. Einen Raum für Körpererfahrungsprozesse gebe es nicht, sondern lediglich Formulierungen, die „mißinterpretiert werden können.“
Text „verschwindet“ von Kindergarten-Website
Im Kerpener Ortsteil Türnich, dem Standort des Kindergartens, zeigten sich besorgte Eltern ebenfalls entsetzt. „Ich konnte das kaum glauben, als ich das auf der Kita-Homepage gelesen hatte“, erinnert sich eine weitere Mutter im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Auch andere Eltern hätten sich schockiert gezeigt. Kurze Zeit später sei der Text von der Internetseite des Kindergartens wieder „verschwunden.“
Öffentlich dagegen vorgehen möchte auch hier niemand so recht. Scham sowie Bitten und Bemühen, den Ruf der Kita nicht zu ramponieren, seien die Gründe gewesen. „Einige hatten etwas an die Zeitung durchgestochen“, sagt die Frau. Anonym. Niemand wolle bei diesem Thema im Rampenlicht stehen.
Ins Rampenlicht geriet jedoch das Thema selbst. Die AfD hatte im September vorigen Jahres eine große Anfrage im Düsseldorfer Landtag zu dem Vorfall gestellt, Jugendämter wurden eingeschaltet, Vor-Ort-Besichtigungen durchgeführt. Ergebnis: Das Sexualkonzept der Kita bleibt in diesem Fall bestehen, weder die Besichtigung noch die Kita selbst hätten einen fragwürdigen Eindruck hinterlassen.
Berlins Senat stoppt Konzept der „Erfahrungsräume“
Ein bemerkenswerter Vorgang. Zuständig als überörtlicher Träger ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR) und hier das Dezernat Kinder, Jugend und Familie. Pikant: Dessen Leiter ist Knut Dannat, langjähriges Grünen-Mitglied und ehemaliges Vorstandsmitglied des Kölner Lesben- und Schwulentages. Dannat gilt zudem als enger Unterstützer des prominenten ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck. In den vergangenen Jahren hatten die einstigen Aktivitäten pädophiler Gruppen innerhalb der Grünen während der achtziger Jahre die Öko-Partei immer wieder in Verlegenheit gebracht.
In den Zuständigkeitsbereich des LVR fallen auch die Kindergärten der nur 20 Kilometer von Kerpen entfernten Stadt Pulheim. Deren Kita „Villa Kunterbunt“ vermeidet das Wort Rückzugsraum, schreibt dafür aber in seinem Konzept: „Wir schaffen für die Kinder einen Ort, an dem sie individuelle, weibliche oder männliche Rollenbilder erleben und ausprobieren können.“
Übrigens: Auch in Berlin hatte es Vorstöße zu sexuellen Erfahrungsräumen gegeben. Für das „Genießen von Lustgefühlen am eigenen Körper“ hatte der Entwurf für das neue Berliner Bildungsprogramm für Kitas in der Kindertagespflege zunächst „individuelle Erfahrungsräume“ für Kleinkinder vorgesehen. Nachdem die JUNGE FREIHEIT das Vorhaben veröffentlicht hatte, ruderte auch der Berliner Senat zurück, betont jetzt, daß es in Berlin keine sexuellen Erkundungsräume geben werde.
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