Papst Franziskus galt als bescheidener Reformer – doch hinter den Kulissen kämpfte er wie ein Löwe: gegen Korruption, Vetternwirtschaft und dunkle Machenschaften. Sein mutiger Kurs brachte ihm Feinde – und veränderte die Kirche für immer
Räumte die Finanzen des Vatikan auf: der verstorbene Papst Franziskus
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Manche sagen, Papst Franziskus sei Kommunist gewesen. Immer wieder sorgte der Argentinier, der am Montag im Alter von 88 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls starb, für Wirbel, indem er scharfe Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem übte. „Diese Wirtschaft tötet“, prangerte er 2013 in seinem ersten programmatischen Schreiben an und erntete Kritik von vielen Konservativen aus Wirtschaft und Kirche. Auch in den Folgejahren nahm Franziskus kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Folgen des Marktliberalismus für Mensch und Umwelt ging. So starb am Montag nicht nur der erste nichteuropäische Pontifex, sondern auch ein überzeugter Kritiker von Aufrüstung, sozialer Ungleichheit und grenzenloser Globalisierung.
Papst Franziskus, der die F
Kritiker von Aufrüstung, sozialer Ungleichheit und grenzenloser Globalisierung.Papst Franziskus, der die Füße von Häftlingen wäscht, der Tausenden von Armut betroffenen Menschen seinen Segen ausspricht, der Duschmöglichkeiten für Wohnungslose am römischen Petersplatz einrichten lässt: Bilder, die die Amtszeit des 266. Papstes prägten. Er selbst verzichtete während seiner Amtszeit auf Prunk – auch wenn vielen wohl noch die Bilder des KI-generierten Franziskus im Balenciaga-Daunenmantel im Kopf schwirren. So ließ sich Franziskus nicht wie viele seiner Vorgänger in einer Sänfte über den Petersplatz tragen, fuhr stattdessen im Fiat vor, um Segen zu spenden, trug schlichte schwarze Schuhe und bezog nicht die Wohnung im Apostolischen Palast, sondern residierte im Gästehaus Santa Marta.Jorge Bergoglio, wie Franziskus mit bürgerlichem Namen hieß, beließ es nicht bei starken Worten und symbolischen Gesten. Auch vor der eigenen Haustür räumte Bergoglio finanzpolitisch auf, wie eine Recherche des Handelsblatts zeigt. Als Bergoglio das höchste Amt im Vatikan 2013 übernahm, war der Staat von Korruptions- und Geldwäscheskandalen gebeutelt. Die „Vatileaks“ – interne Dokumente, die ein Insider an die italienische Presse weitergegeben hatte – ließen tief blicken. Die Papiere zeigten nicht nur, dass die Vatikanbank IOR unklug investierte und so Beträge in dreistelliger Millionenhöhe verzockte, sondern erzählten auch von Korruption, Vetternwirtschaft und Unterschlagung.Mafia-Verbindungen, ungeklärte Todesfälle und dubiose GeldgeschäfteLange Zeit mangelte es der Finanzverwaltung im Vatikan an Transparenz und Zentralisierung. Immer wieder kam es in der Geschichte des kleinsten Staates der Welt zu Skandalen. Mafia-Verbindungen, ungeklärte Todesfälle und dubiose Geldgeschäfte prägten die Geschichte der Vatikanbank. Oftmals profitierten Kardinäle von den undurchsichtigen Finanzstrukturen und wirtschafteten in die eigene Tasche. Papst Franziskus wollte damit Schluss machen.So führte er kurz nach Beginn seiner Amtszeit ein Wirtschaftssekretariat, einen Wirtschaftsrat sowie das Amt des Wirtschaftsprüfers ein. Die neu geschaffenen Institutionen sollten zur Kontrolle der Finanzen beitragen und wirtschaftspolitische Ziele umsetzen. Zudem holte Franziskus kirchenfremde Finanzexperten in den Vatikan – eine Reaktion auf die jahrelange Misswirtschaft. Die Finanzaufsichtsbehörde AIF wurde angesichts anhaltender Korruptionsvorwürfe schon unter Papst Benedikt XVI. eingeführt, Papst Franziskus bestätigte deren Unabhängigkeit und die Wichtigkeit ihrer Funktion. Wohl zurecht, wie der Jahresbericht der Behörde zeigt: Im vergangenen Jahr sperrte sie Beträge in Millionenhöhe auf den Konten der Vatikanbank wegen „verdächtiger Aktivitäten“.Trotz der Umstrukturierungen kam es 2019 zu einem folgenreichen Finanzskandal.Das vatikanische Staatssekretariat hatte zwischen 2014 und 2018 350 Millionen Euro in eine Londoner Immobilie investiert. Luxuswohnungen inklusive unterirdischer Pools sollten Einnahmen generieren. Was das Staatssekretariat für eine vielversprechende Investition hielt – Anlagegeschäfte dienen neben Spenden, Eintrittsgeldern und Mieten als Haupteinnahmequelle des Vatikan – entpuppte sich als Verlustgeschäft. 2022 wurde die Immobilie für lediglich 216 Millionen Euro weiterverkauft. Dazu kamen Ausgaben für Vermittler in Millionenhöhe. Über 130 Millionen Euro verlor der Vatikan durch das Geschäft.Jorge Bergoglio kürzte Kardinälen, Präfekten und Sekretären mehrmals die GehälterZwar konnten die neu eingeführten Behörden den Kauf nicht verhindern, die Aufarbeitung des Skandals zeigte dennoch, dass Papst Franziskus echte Veränderung herbeigeführt hatte. Erstmals wurde mit Angelo Becciu, der in den Skandal um die Londoner Immobilie verwickelt war, ein Kardinal vor einem Gericht des Kirchenstaats schuldig gesprochen – wegen Unterschlagung und Betrug. Ebenfalls Folge des Skandals: Papst Franziskus entzog dem Staatssekretariat die Entscheidungsmacht über die eigenen Finanzen.Jorge Bergoglio sorgte nicht nur für wichtige Schritte in Richtung einer transparenteren Finanzwirtschaft, sondern legte sich auch mit den bisherigen Profiteuren der undurchsichtigen Struktur an und kürzte Kardinälen, Präfekten und Sekretären mehrmals die Gehälter. Kardinäle mussten unter Franziskus etwa auf Mietzuschläge, Bürozulagen und Sekretariatsboni verzichten.Dabei ging es dem Pontifex, der im Übrigen selber kein Gehalt ausgezahlt bekam, wohl nicht nur um Gerechtigkeit, sondern auch ums Sparen. 2023 verzeichnete der Vatikanstaat ein Haushaltsdefizit von rund 83 Millionen Euro. Ausgaben für die rund 5.000 Beschäftigten im Vatikan machten dabei den größten Kostenfaktor aus. Durch rückläufige Spendenerträge, Kirchenaustritte und weniger Mieteinnahmen macht der Kirchenstaat seit Jahren Verluste, die auch durch die Einsparungen bei Personalkosten nicht ausgeglichen werden konnten.2024 verzichtete der Pontifex auf eine Spende eines RüstungsunternehmensDas Oberhaupt des Vatikanstaats stand für eine werteorientierte Finanzpolitik, sprach sich immer wieder gegen Investitionen in die Waffenindustrie aus und kritisierte Rüstungsunternehmen als „Drahtzieher der Kriege“. Immer wieder thematisierte Franziskus die israelische Kriegsführung und solidarisierte sich mit den Menschen in Gaza. Auch für die Verteidigung der Ukraine machte sich der Argentinier stark. Hinter seinen Überzeugungen stand Bergoglio auch, wenn es finanziell schmerzhaft wurde. 2024 verzichtete der Pontifex auf eine Spende des Rüstungsunternehmens Leonardo, das zu den weltweit größten Waffenherstellern gehört. Der Konzern hatte dem Vatikan 1,5 Millionen Euro angeboten, um ein Gerät für Computertomografie in einer Kinderklinik anzuschaffen.Bei dem Versuch der Umstrukturierung der Finanzpolitik im Vatikan stieß Franziskus auf Widerstände. Nach dem Finanzskandal von 2019 wollte sich das Staatssekretariat nicht mit dessen Entmachtung abfinden. Reformen wurden durch interne Spannungen nur schleppend umgesetzt. Auch die Umschichtung der Finanzen lief nicht wie geplant. Während Franziskus eine Zentralisierung der Finanzmittel bei der Vatikanbank veranlasste, ist bis heute nur rund ein Drittel der Gelder dort deponiert, andere Behörden weigerten sich mitzumachen.Franziskus ging wichtige Schritte in Richtung einer transparenteren und gerechteren Finanzpolitik, die Korruption in vielen Fällen verhindern konnte. Es bleibt abzuwarten, wie sein Nachfolger die noch immer nötigen Finanzreformen fortführen wird. Klar ist schon jetzt, dass dem Vatikan und der Welt eine starke Stimme für soziale Gerechtigkeit fehlen wird.