Mehr Wochen in den Album-Charts als Helene Fischer – und das mit „Aramsamsam“: Wer ist die Frau hinter dem erfolgreichsten Kinderliederprojekt Deutschlands? Und was treibt sie an? Ein Konzertbesuch.
Leverkusen.
Als die ersten Akkorde des Stuhlkreis-Klassikers ertönen, singen die Kinder noch bevor Simone Sommerland es tut: „Hallo, hallo schön, dass du da bist“, begrüßen hunderte kleine Menschen in der Konzerthalle in Leverkusen die Frau, die als erfolgreichste Kinderliedersängerin Deutschlands beworben wird. Doch wer ist die 49-Jährige, die längst Kinderzimmer erobert hat, die außerhalb ihrer Zielgruppe aber vielen unbekannt ist?
Rekordhalterin mit Kindermusik
Tatsächlich hält die erste Sommerland-Platte („Die 30 besten Spiel- und Bewegungslieder“) mit mehr als 530 Wochen den Rekord für die längste Verweildauer in den deutschen Albumcharts. Der Dauerbrenner mit Cover-Hits von „Aramsamsam“ bis „Zeigt her eure Füße“ ist damit viel länger in den Charts als Platten von Helene Fischer oder Abba.

Simone Sommerland animiert zum Mitmachen.
Bild: Bernd Thissen/dpa

Simone Sommerland animiert zum Mitmachen. Bild: Bernd Thissen/dpa
Mehr als 60 Alben der folgenden Reihe „Die 30 besten…“ sind seit 2010 erschienen. Das Rezept, Ohrwürmer aus dem reichen Kinderliederfundus einzusingen, hat dem Label Lamp und Sumfleth bis jetzt weit über 600.000 Plattenverkäufe eingebracht.
Rund drei Millionen Abonnenten hat der Youtube-Kanal, auf denen Sommerland in immer neuen Videos zum Mitsingen und Mitmachen animiert. Mehr als 3,6 Milliarden Mal wurden sie aufgerufen.
Großes Konzerterlebnis für Kleine
„Wer ein Kinderlied sucht, der landet ja immer wieder bei ihr“, wird eine Mutter nach dem Konzert sagen. „Unsere Kleine hört das zu Hause rauf und runter“, erzählt ein Papa, auf dem Arm ein Mädchen mit verrutschtem Einhorn-Haarreif auf dem Kopf, das vom allerersten Live-Konzert seines Lebens erschöpft ist.
In Leverkusen – die diesjährige Tour mit mehr als 40 Konzerten bis Ende November hat gerade erst begonnen – ist Sommerland der Mittelpunkt: Schon bevor es losgeht sichern sich kleine Fans einen Mittanzplatz vor der Bühne.
Sommerland gibt auf der Bühne alles: Sie fliegt wie ein Flieger, kreist die Arme wie die Räder vom Bus und wenn sie fröhlich ist, klatscht und stampft sie und ruft laut Hurra. Dabei lächelt sie unermüdlich, sucht das Gespräch mit ihren Zuhörern, beugt sich über den Bühnenrand, als wolle sie direkt in Kinderaugen zurückstrahlen.
„Ich gebe mich ganz hin“ – Sommerland über ihre Auftritte
Bei der Sache, bei ihrem Publikum sein, sei ihr ein Anliegen bei jedem Live-Auftritt, schildert Sommerland, die eigentlich Simone Stiers heißt und aus Wetter im Ruhrgebiet kommt. „Ich verstelle mich nicht in dem Moment“, sagt sie bei einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Es mag pathetisch klingen, aber ich gebe mich ganz hin. Und ich versuche, allen eine gute Zeit zu bereiten.“

Simone Stiers kommt aus Wetter an der Ruhr – und lebt dort ein „normales Leben“, wie sie sagt.
Bild: Bernd Thissen/dpa

Simone Stiers kommt aus Wetter an der Ruhr – und lebt dort ein „normales Leben“, wie sie sagt. Bild: Bernd Thissen/dpa
Kurz vor dem Interview im Probenraum für die Tournee hat Sommerland ihren Arbeitsoverall noch gegen Jeans und Pulli getauscht. Eben noch habe sie geholfen, fehlende Rollkisten zu besorgen, erklärt sie. „Ich habe gelernt anzupacken und bin gerne in alle Prozesse mit eingebunden.“
Bauernhofkind mit Bühnenwunsch
Fleißig erarbeitet ist auch ihr Erfolg. Als jüngstes von sechs Geschwistern wuchs Stiers auf einem Bauernhof in Wetter an der Ruhr auf, lebt dort bis heute ein „normales Leben“, wie sie betont.
„Ich bin die Einzige aus der Familie, die diesen künstlerischen Weg gegangen ist“, erzählt sie. „Für mich war Singen von klein auf Herzenswunsch.“

Die Sängerin packt bei den Tourvorbereitungen mit an: „Bin gern in alle Prozesse eingebunden.“
Bild: Bernd Thissen/dpa

Die Sängerin packt bei den Tourvorbereitungen mit an: „Bin gern in alle Prozesse eingebunden.“ Bild: Bernd Thissen/dpa
Planvoll, aber ohne klares Bild davon, wo genau ihr Weg enden könnte, erschafft sich das Mädchen aus der 26.000-Einwohner-Stadt eine Karriere als Künstlerin. Schon zu Schulzeiten steht sie auf der Bühne, nimmt Gesangsunterricht, beginnt als junge Frau Jazz- und Popmusik zu studieren.
„Es gehört zu meinem Wesen zu wissen: Wenn du den Acker nicht bestellst, kannst du im Herbst nicht ernten“, fasst sie zusammen, wie das Aufwachsen auf dem Gemüseanbau-Betrieb ihrer Eltern ihre Arbeitsweise bis heute prägt. „Ich verstehe meine Tätigkeit ganz handfest – mein Beruf ist Sängerin. Berühmt sein ist nicht mein Beruf.“
Um ein Haar wäre es Eurodance statt Kindermusik geworden
Mit 17 Jahren leiht sie im Musikstudio erstmals und dann immer wieder ihre Stimme den Schlümpfen – und landet damit erste Charterfolge. In den musikalisch wummernden 90er Jahren geht sie dann als Background-Sängerin mit Blümchen auf Tour. Das Angebot einer Plattenfirma, selbst als Eurodance-Act ins Rampenlicht zu rücken, lehnt sie aber ab.
„Ich konnte mich dann aber doch nicht damit identifizieren, in Hotpants und Bikini auf der Bühne zu stehen“, sagt sie. Stattdessen habe sie lieber „noch mal kleiner anfangen“ wollen. Sie macht Cover-Partymusik, singt auf Events und Hochzeiten, gründet schließlich eine Musikschule in ihrer Heimatstadt.
Warum Sommerland „arbeiten, arbeiten, arbeiten“ muss
„Es war sehr lange, sehr knapp mit dem Geld, weshalb ich bis heute noch denke: Ich muss arbeiten, arbeiten, arbeiten“, sagt Sommerland. Auch als sie mit ihrem damaligen Mann als „Simone Sommerland, Karsten Glück und die Kitafrösche“ eine Kinderliederplatte nach der nächsten aufnimmt, bleibt sie vorrangig Studiosängerin und bespielt noch nicht die große Bühne.
Zur Millionärin habe sie der Erfolg nicht gemacht, sagt sie auf Nachfrage. Weil sie vornehmlich als Studiomusikerin arbeitet, die erst jetzt anfängt, selbst zu komponieren, verdienen Urheber und Produzenten kräftig mit.
Gemeinsam mit ihrem inzwischen geschiedenen Mann hat sie drei Kinder. Das Ende der Ehe bedeute aber keineswegs das Ende der Kinderliederreihe, beruhigt Sommerland. „Ab der neuen Platte wird es eine neue männliche Stimme geben.“
Was soll jetzt noch kommen?
Seit ihrer ersten allein auf sie zugeschnittenen Bühnentour 2023 rückt nun Simone Sommerland als greifbare Künstlerin in den Mittelpunkt. Nach ihren Zukunftsplänen gefragt, antwortet sie: „Ich habe keine Glaskugel, aber ich weiß, ich möchte weiter singen, ich möchte immer Neues lernen.“
Sie wolle mehr eigene Lieder komponieren, weitere Live-Programme gestalten. In diesem Frühjahr ist ein Kinderbuch aus ihrer Feder erschienen – den dazu passenden Song „Mach mit, Mausi Maus“ hat sie selbst geschrieben. Auch auf das Kindermusikfach will sie sich nicht festgelegt sehen: 2024 war sie als Sängerin und Moderatorin in einem Varieté-Programm unterwegs.
„Krass, die kommen ja wegen mir“
Erst die regelmäßigen Auftritte lassen sie ihren Erfolg im Kindermusikbusiness wirklich begreifen, sagt sie. Sie hatte angeboten, nach dem Konzert noch Autogramme zu geben, erinnert sie sich an den ersten Tourauftakt: „Und dann bin ich aus der Halle gekommen und dann war da einfach eine lange Schlange.“ Erst da habe ihr gedämmert: „Krass, die kommen ja wegen mir.“
So ist es auch an diesem Nachmittag in Leverkusen: Hunderte wollen eine Widmung, einen kurzen Moment mit Sommerland. Eine knappe Stunde erfragt sie die Namen der Mädchen und Jungen, signiert strahlt für jedes gemeinsame Foto, als sei es das erste des Tages. „Das ist einfach immer mit das Schönste“, sagt Sommerland und lächelt wieder. (dpa)