Wenn sich die Außenminister der NATO-Mitgliedsstaaten am 14. und 15. Mai zu informellen Gesprächen in der Türkei treffen, wird trotz sommerlicher Temperaturen wohl keine echte Urlaubsstimmung aufkommen.
Auf dem Programm in Antalya steht die Vorbereitung des NATO-Gipfels Ende Juni in Den Haag. Für viel Gesprächsstoff dürfte NATO-Generalsekretär Mark Rutte sorgen.
Vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass Rutte neue Zielvorgaben für die Verteidigungsausgaben festgelegt hat. Demnach sollen die Staaten spätestens ab 2032 jährlich fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung und Sicherheit ausgeben.
3,5 Prozent Militärgerät, 1,5 Prozent für Infrastruktur und Cybersicherheit
Wie der niederländische Premierminister Dick Schoof mitteilte, habe Rutte einen Brief an die Mitgliedsländer geschickt, in dem er 3,5 Prozent an „harten Militärausgaben“ und 1,5 Prozent für verwandte Ausgaben wie Infrastruktur, Cybersicherheit „und ähnliche Dinge“ fordere.
Damit will Rutte offensichtlich ein Signal an US-Präsident Donald Trump senden. Der verlangt von den Verbündeten, dass sie mehr Geld in ihre Verteidigung investieren, und hat fünf Prozent des jeweiligen BIP als Zielvorgabe ausgegeben. Dies wird von vielen Ländern als unrealistisch eingeschätzt.
Für Deutschland hieße das: mehr als 215 Milliarden Euro pro Jahr oder 45 Prozent des Bundeshaushalts 2024. Auch die USA erreichen derzeit die Marke von fünf Prozent nicht, sie kamen 2024 auf 3,4 Prozent. Rutte hat wiederholt gesagt, er halte deutlich mehr als drei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben als angemessen.
Kompromiss bei der Definition der Ausgaben
Ruttes neuer Vorschlag ist also ein Kompromiss: Auf dem Papier stehen die von Trump geforderten fünf Prozent. Gleichzeitig haben die Mitgliedsländer mehr Spielraum dabei, was sie als Verteidigungs- oder Sicherheitsausgaben bezeichnen.
Dennoch dürften auch die 3,5 Prozent für viele NATO-Staaten ein Schock sein. Die beim Gipfel in Wales 2014 vereinbarten zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben haben bisher nur 22 der 32 Mitgliedsländer erreicht.
Auch Deutschland konnte dieses Ziel erst mit der großen Kraftanstrengung in Form des Sondervermögens im Jahr 2024 erreichen. Länder wie Spanien, Italien oder Belgien haben zwar zusätzliche Anstrengungen versprochen, sind aber nach wie vor weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel – ganz zu schweigen von 3,5 Prozent.
Friedrich Merz schweigt
Weder Rutte noch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wollten sich vergangene Woche zu den Zahlen äußern, die bereits vor den Aussagen des niederländischen Regierungschefs aus Diplomatenkreisen durchgesickert waren. Der NATO-Generalsekretär wollte die Zahlen nicht bestätigen, Merz nicht über „abstrakte BIP-Anteile streiten“.
Doch genau das werden die NATO-Außenminister in Antalya tun müssen. Denn bis zum NATO-Gipfel soll alles unter Dach und Fach und unterschriftsreif sein.
Eine öffentliche Konfrontation mit Trump in Den Haag soll verhindert werden. Insofern kommt das informelle Treffen in der Türkei zum richtigen Zeitpunkt. Es bietet den Rahmen für intensive Diskussionen, ohne dass am Ende ein Ergebnis präsentiert werden muss.
Neben den Gesprächen um Prozentzahlen dürfte es auch darum gehen, was im weiteren Sinne als verteidigungs- oder sicherheitsrelevante Ausgabe gelten kann. Für Deutschland wird erstmals der neue Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) an einem NATO-Treffen teilnehmen.
In Antalya werden sicher auch die Lage in der Ukraine und die jüngsten Entwicklungen rund um eine mögliche Waffenruhe wichtige Themen sein. Zeitgleich mit dem Treffen am Mittelmeer will der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag zu direkten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Istanbul kommen.
Ob Putin nach Istanbul reisen wird, ist offen. Sogar Trump erwägt nach eigenen Angaben, nach Istanbul zu fliegen – wenn er den Eindruck habe, dass sich etwas bewegen könnte. (afp/red)