Minister ausscheidender Regierungen sind nach dem Bundesarchivgesetz eigentlich dazu verpflichtet, sämtliche Unterlagen, die zur „Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben einschließlich der Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ nicht mehr benötigt wurden, dem Bundesarchiv zur Übernahme anzubieten. Doch das ist nicht geschehen: Christian Lindner, Marco Buschmann und Bettina Stark-Watzinger könnten die internen E-Mails aus ihrer Zeit als Minister bereits gelöscht haben – ohne, dass ihre Arbeit dokumentiert ist.
Laut dem Bundesarchiv fallen sowohl E-Mail-Postfächer, Kalenderdaten und interne Chats unter das Gesetz. Daran erinnerte das Bundesarchiv am 26. Februar. Es schrieb an zahlreiche Ministerien und an das Kanzleramt konkret: „Das Bundesarchiv weist daher ausdrücklich darauf hin, dass ihm die E-Mail-Postfächer, Kalenderdaten, Messenger-Accounts, Dateiablagen usw. ausscheidender Leitungspersonen zur Übernahme anzubieten sind, bevor eine Löschung in Betracht kommt“.
Wie Correctiv berichtet, sind aber lediglich die Kalenderdaten des ehemaligen Justizministers Marco Buschmann eingegangen. E-Mails oder Chatverläufe bot keiner der drei Minister zur Archivierung an. Damit sind unter Umständen wichtige Daten unwiderruflich verloren, die die Entscheidungen der Minister nachvollziehbar machen. Denn die Fristen zum Löschen interner Dokumente sind in den Ministerien bereits überschritten.
Zwar wurde das Finanziministerium im Oktober 2022 vom Bundesarchiv darauf hingewiesen, dass „Kalender von Leitungspersonen“ tatsächlich „potentiell archivwürdig“ seien. Doch am 29.11.2023 gab es eine interne Anweisung, dass bei allen Personalabgängen „das E-Mail-Postfach (inklusive Kalender)“ automatisch „zu deaktivieren“ und nach 180 Tagen zu löschen sei. Diese Frist ist am 6. Mai verstrichen.
Im Justizministerium gilt eine ähnliche, allerdings deutlich kürzere, Frist für die Löschung interner Mails. Sie ist bereits im Februar, nach drei Monaten, verstrichen. Auch Marco Buschmanns Dokumente sind also aller Wahrscheinlichkeit nach bereits gelöscht.
Wie wichtig die Aufbewahrung interner E-Mails sein kann, zeigt der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg. Eine interne E-Mail belastete den damaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Das Schriftstück zeigte auf, dass aus Habecks Büro eine Anweisung erging, in einem Gutachten darzustellen, „wie wir auch ohne die drei in Rede stehenden Atomkraftwerke die Versorgungssicherheit sichern können.“ In Mailverläufen der Bundesnetzagentur hieß es: „Heute Vormittag im Termin wurde sehr offensichtlich, dass das BMWK eigentlich nur Annahmen möchte, die zu Ergebnissen führen, die ‚alles grün‘ sagen.“
Die Fachleute waren eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass die Atomkraftwerke in Deutschland „über mehrere Jahre“ weiter betrieben werden könnten. Umweltstaatssekretär Stefan Tidow änderte diesen Vermerk jedoch grundlegend. In einer neuen Version hieß es, dass eine „Laufzeitverlängerung nicht vertretbar“ sei. Und weiter: „Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen.“ Dieser manipulierte Vermerk landete im Wirtschaftsministerium, wo Patrick Graichen die Empfehlung aussprach, dass eine Laufzeitverlängerung nicht empfehlenswert sei (Apollo News berichtete).
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