Die gesetzlichen Krankenkassen befinden sich in einer dramatischen Lage. Durch die erheblichen Defizite drohen im Herbst „erneut empfindliche Beitragserhöhungen für Millionen Versicherte“, sagte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Jetzt braucht es keine politischen Prüfaufträge oder Kommissionen, sondern konsequentes Regierungshandeln.“ Dahmen kritisierte, dass Reformen seit Jahren hinausgezögert würden und sprach von einem „dramatischen Alarmsignal“, dass die für später geplante Bundeszuschusszahlung in Höhe von 800 Millionen Euro bereits Mitte Mai ausgezahlt werden müsse. Diese sei notwendig, um die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds aufzufüllen.
„Unser Gesundheitswesen krankt nicht primär an zu wenig Geld, sondern an chronischem Reformstau – es ist inzwischen selbst zum Patienten geworden“, sagte Dahmen weiter. Zwar helfe die vorgezogene Finanzspritze, kurzfristig Symptome zu lindern, doch das strukturelle Defizit bleibe bestehen und drohe sich weiter auszudehnen.
Die gesetzlichen Krankenkassen hatten im laufenden Jahr bereits ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro verzeichnet. Zu Jahresbeginn reagierten viele mit teilweise deutlichen Erhöhungen der Zusatzbeiträge. Die Bundesregierung hatte angekündigt, dass zur Stabilisierung des Systems 800 Millionen Euro aus dem jährlichen Bundeszuschuss bereits im Mai bereitgestellt werden sollen.
Dahmen forderte, von der Ampel-Koalition bereits angestoßene Reformprojekte zügig zur Beschlussfassung zu bringen. Dazu zählen aus seiner Sicht unter anderem die Reformen der Notfallversorgung und der Rettungsdienste sowie Maßnahmen im Pflegebereich. Auch die von der früheren großen Koalition vorgesehene gezieltere Steuerung von Patientinnen und Patienten mit Hausärzten als erster Anlaufstelle dürfe nicht weiter verzögert werden.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist hingegen vorgesehen, dass eine Kommission bis 2027 Vorschläge für eine grundlegende Reform zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung erarbeitet. Die Grünen halten diesen Zeitplan für zu lang und drängen auf kurzfristige Entscheidungen.
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