Man muss kein Fan der AfD sein, um zu bemerken, was hier gespielt wird. Der neue Verfassungsschutzbericht liefert Zahlen, die aufhorchen lassen müssten: Ein starker Anstieg bei rechtsextremistischen Straftaten – ja. Aber eben auch fast 40 Prozent mehr linksextreme Delikte, islamistische Gewalt, „Reichsbürger“-Zuwachs – kurz: ein gesamtgesellschaftliches Alarmsignal.
Doch wenn man dem MDR folgt, bekommt man davon vor allem eines mit: Rechts ist böse. Rechts ist gefährlich. Rechts ist die AfD. In der Überschrift, im Vorspann, im Ton. Der angebliche Rechtsextremismus in der AfD wird im zentralen Text des Senders zum Thema prominent hervorgehoben – während die linksextreme Gewaltzunahme allenfalls als Randnotiz durchrutscht. Keine Headline. Kein Brennpunkt. Kein Talkshow-Alarmsignal. Warum?
Weil der Skandal offenbar nur da stattfindet, wo er ins gewünschte Bild passt. Dass linke Gewalt im selben Zeitraum fast genauso stark anstieg wie rechte, scheint kaum eine Zeile wert. Dass islamistische Strukturen wachsen, wird erwähnt – aber ohne jede Zuspitzung. Kein „Zulauf“, kein „Sprengstoff“, kein „Gefahr für die Demokratie“. All das bleibt politischen Einzelgruppen vorbehalten – vor allem einer.
Dabei sind selbst die rechtsextremen Zahlen, auf die sich das mediale Dauerfeuer stützt, nicht das, was sie nach dem Wunsch der Redaktion ganz offentsichtlich sein sollen. Denn ein erheblicher Teil davon besteht aus sogenannten „Meinungsdelikten“ – etwa Beleidigungen im Netz oder Schmierereien auf öffentlichen Flächen. Ein aufgekritzeltes Hakenkreuz an einer Bahnhofsunterführung gilt automatisch als rechtsextreme Straftat – selbst wenn niemand weiß, wer es gemalt hat. Im linksextremen Spektrum hingegen werden vergleichbare Fälle oft gar nicht als politisch motiviert erfasst.
Mit anderen Worten: Die Messlatten sind verschieden. Die Empörung auch. Die Berichterstattung sowieso.
Und nicht nur wegen solcher statistischen Hütchenspiele ist die angebliche Faktenbasis fragwürdig: Der Verfassungsschutz zählt inzwischen 20.000 AfD-Mitglieder als rechtsextrem, bei offiziell rund 50.000 Parteimitgliedern. Eine absurde Zahl – deren Zustandekommen kaum hinterfragt wird. Und schon gar nicht in dem MDR-Bericht. Dabei wäre ein Hinterfragen hier Pflicht für jeden Journalisten, der auch nur noch halbwegs kritisch ist: Was bedeutet die Zahl konkret? Wer definiert „rechtsextrem“? Welche Aussagen oder Mitgliedschaften reichen dafür aus? Fehlanzeige. Die Zahl steht. Die Botschaft wirkt.
Und dann wird es fast schon komisch – wenn es nicht so bezeichnend wäre: Je nachdem, wie man den MDR-Artikel liest, bekommt man ganz unterschiedliche Inhalte präsentiert. In der normalen Browseransicht steht der dramatische Satz über die 20.000 rechtsextremen AfD-Mitglieder fett im Vorspann. Doch wer den Artikel im Lesemodus öffnet – wie es viele Leser am Handy oder mit Barrierefunktionen tun –, sieht diesen Satz einfach nicht.
Er fehlt. Ohne Markierung. Ohne Auslassungspunkte. Kein „…“, kein Hinweis. Er ist einfach weg.
Genauso wie jeder Hinweis auf die AfD. Im Lesemodus fehlt die Partei völlig – selbst in der Überschrift. Weswegen ich in diesem Artikel hier zuerst den Akzent darauf setzen wollte, dass der MDR seinen Text klammheimlich geändert hat. Gott sei Dank kam ich dem Technik-Verwirrspiel dann noch rechtzeitig vor Veröffentlichung auf die Schliche.
Was steckt dahinter? Wahrscheinlich keine Absicht. Kein Plan. Kein geheimes Steuerpult. Sondern ein Zusammenspiel aus Technik, Automatismen und journalistischem Alltag – das dennoch Wirkung hat.
Denn so bekommt jeder Leser genau den Artikel, der in seinen Lesemodus passt. Der eine sieht den skandalisierenden AfD-Vorspann. Der andere nicht. Der eine liest die Zahl, der andere überliest sie – oder bekommt sie gar nicht erst angezeigt. Die Empörung bleibt. Die Einordnung verschwindet.
Das hat niemand so angeordnet. Aber es passiert trotzdem. Weil technische Filter greifen. Weil redaktionelle Abläufe schnell sind. Weil niemand mehr prüft, wie sich ein Text unter verschiedenen Bedingungen darstellt. Und weil man sich daran gewöhnt hat, dass bestimmte Dinge lauter gesagt werden als andere.
Das Ergebnis? Kein großer Plan – aber eine schleichende Verzerrung. Nicht durch Zensur. Sondern durch Struktur.
Und wer dann fragt, warum das so ist, bekommt zu hören: „War doch alles ein technisches Problem.“
Stimmt. War es wohl. Doch das eigentlich Erschreckende ist: Die Glaubwürdigkeit dieser Sender ist inzwischen so ruiniert, dass viele längst nicht mehr an Zufall glauben – sondern an Absicht. Und man kann es ihnen kaum verdenken.
Denn was da passiert, wirkt symbolisch für einen Journalismus, der auf Knopfdruck zwei Versionen derselben Realität produziert – je nachdem, wie man liest, wo man klickt, welchen Modus man wählt. In der einen taucht die AfD auf. In der anderen nicht. Der Text bleibt offiziell derselbe. Doch das Bild, das beim Leser ankommt, ist ein anderes.
So geht Medienwirklichkeit im Jahr 2025. Und sie braucht keine Zensur mehr – nur noch ein paar technische Voreinstellungen.
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Bild: Screenshot Youtube
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