Nachdem Anfang April an den internationalen Finanzmärkten im Zuge der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump noch der allgemeine Weltuntergang eingepreist wurde, herrscht inzwischen wieder eitel Sonnenschein. Der Handelskrieg zwischen China und den USA scheint abgewendet und auch die übrigen Problem, die der Westen mit dem Reich der Mitte hat, geraten mehr und mehr aus dem Blickfeld.
Allerdings ist es gefährlich anzunehmen, dass Dinge, die man aktuell nicht oder nicht mehr im Blick hat, deshalb plötzlich an Bedeutung und Gefährlichkeit verloren haben. Im aktuellen Zoll- und Handelskonflikt fokussieren sich sowohl die Medien wie auch die Anleger primär auf das Thema der Zölle. Dieses ist wichtig, denn es beeinflusst sehr unmittelbar, ob der Handel zwischen den Vereinigten Staaten und China beeinträchtigt wird und wie stark. Doch im Hintergrund spielt noch ein anderes Thema eine extrem wichtige Rolle: die Verfügbarkeit von Seltenen Erden.
Ohne die Seltenen Erden läuft in der modernen Hightech-Industrie nicht mehr viel. Windräder benötigen starke Elektromagnete, die ohne die Seltenen Erden Neodym und Praseodym nicht herzustellen sind und moderne leistungsfähige Elektromotoren sind ohne Dysprosium auch nicht mehr denkbar. Der Rüstungssektor kann nur noch Waffen und Munition minderer Qualität herstellen, wenn die Seltenen Erden bzw. Schlüsselmetalle wie Gallium, Germanium, Antimon und Wolfram nicht mehr zur Verfügung stehen.
Die Situation ist verwickelter als es auf den ersten Blick erscheinen mag
Sie alle kommen aus China und die Regierung in Beijing ist sich nur zu gut der Macht, bewusst, die sie an dieser Stelle in ihren Händen hält. Diese Macht ist ihr auch nicht zufällig in die Hände gefallen, sondern sie wurde seit Jahren im Rahmen einer langfristigen Strategie systematisch und mit Nachdruck angestrebt. An dieser Stelle unterscheidet sich der kurzfristig denkende und handelnde Westen sehr deutlich von den langfristig planenden und strategisch agierenden Chinesen.
Hinzu kommt, die aktuelle Macht Chinas ist nicht aus einer Laune des Augenblicks heraus entstanden, sondern auf sie wurde bewusst und über Jahre hinweg hingearbeitet. Das bedeutet im Gegenzug, dass auch ihre Beseitigung kein Prozess ist, den der Westen mal eben im Vorbeigehen quasi über Nacht vollziehen kann. Was die heutige Zeit von früheren Jahren unterscheidet ist, dass China sich nun stark und stabil genug fühlt, um diese Macht im tagespolitischen Geschäft auch anzuwenden.
Die Seltenen Erden sind gar nicht so selten wie es ihr Name zunächst vermuten lässt. Doch ihre Aufarbeitung ist schwierig und vor allem schmutzig. Viele Länder haben mit Blick auf die möglichen Folgen für die Umwelt deshalb gerne auf ihre Raffinierung verzichtet und stattdessen ihren Bedarf in China gedeckt. Das Reich der Mitte hat diese Verkäufe gerne getätigt, wohl wissend, dass hier über Jahre hinweg einen neue Abhängigkeit entsteht, die China ab einem gewissen Zeitpunkt eine große Machtfülle bescheren wird.
Dieser Zeitpunkt ist in der Zwischenzeit erreicht. Bei den Seltenen Erden kontrolliert China rund 90 Prozent der Produktion und Aufarbeitung. Die Volksrepublik ist daher die Quelle schlechthin, wenn es darum geht, den eigenen Bedarf an Seltenen Erden zu decken. Bei anderen kritischen Mineralien und Metallen ist der chinesische Anteil an der Weltproduktion zwar niedriger, aber immer noch so hoch, dass Chinas Einfluss auch hier erheblich ist.