Ein Gastbeitrag von Klaus Kelle

Man hatte es kommen sehen. Das Bundesverfassungsgericht ist nun bald sturmreif. Dank tatkräftiger Mithilfe der CDU/CSU. Der Deutsche Bundestag ist dabei, zwei radikal linke SPD-Richterinnen und einen unauffälligen CDU-Mann für die frei werdenden Stellen am Bundesverfassungsgericht zu wählen. Eine linke Mehrheit im höchsten deutschen Gericht ist in Reichweite.

Meinungs- und Mehrheitsbildung

Vorher galt es noch, die Unionsfraktion auf Vordermann zu bringen. Denn es gab eine gewisse, wenn auch nur schwache und vorübergehende, Unruhe in der Union, weil eine der beiden linken Kandidatinnen, Frau Prof. Brosius-Gersdorf, als besonders fanatische Befürworterin ungebremster Abtreibung bekannt ist. Nicht dass die andere etwa für den Lebensschutz einträte; aber so extrem und brutal wie Frau Brosius-Gersdorf äußeren sich die Gebildeten unter den Abtreibungs-Befürwortern selten.

Extremer geht es kaum

Schon Anfang dieses Jahres schrieb die Jura-Professorin der Uni Potsdam in einer Stellungnahme für den Bundestag, dass den ungeborenen Kindern nur in eingeschränktem Maße Menschenwürde zustehe; aber selbst in dem Falle, dass den Babys im Mutterleib doch der volle Schutz ihrer Menschenwürde zukomme, dürfe man sie dennoch „grundgesetzkonform“ töten. Das ist – ganz im Ernst! – die Auffassung einer künftigen Verfassungsrichterin.

Wer das nicht glaubt, kann es in der einschlägigen Bundestagsdrucksache jederzeit nachlesen. Dort schreibt die künftige Verfassungsrichterin wörtlich:

„…selbst wenn man von einer vorgeburtlichen Geltung der Menschenwürdegarantie ausginge und sie in diesem Fall mit dem gleichen, vollwertigen Schutz wie für den geborenen Menschen Anwendung fände, sprächen gewichtige Argumente dafür, dass die Menschenwürdegarantie durch einen Schwangerschaftsabbruch im Regelfall nicht verletzt wäre“ (sic).“

Und weiter:

„Nach der zu Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz entwickelten, nach wie vor breit konsentierten, sog. Objektformel ist die Menschenwürdegarantie nur verletzt, wenn der Einzelne zum Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt wird. Mit der Beendigung einer Schwangerschaft durch die Frau ist aber nicht regelhaft ein Unwerturteil über den Embryo/Fetus verbunden. Die Schwangerschaft wird in der Regel nicht beendet, weil der Embryo/Fetus als lebensunwert erachtet wird, sondern weil für die Frau eine Mutterschaft zu dem Zeitpunkt nicht vorstellbar ist.“

Warum ich dabei an Egon Bahr denken muss

Mit anderen Worten: Die Ungeborenen dürften demnach auch bei voller Anerkennung ihrer Menschenwürde, ja sogar gerade deshalb, vom Leben zum Tode befördert werden. Was einst Egon Bahr in einem anderen Zusammenhang formulierte, das wird hier sichtbar: Das ist Perversion des Denkens und das ist auch Perversion der Rechtswissenschaft.

Was macht die Union?

Die Richter am Bundesverfassungsgericht werden vom Bundestag beziehungsweise von Bundesrat gewählt. Wer da zum Zuge kommt, wird seit jeher im Vorfeld quasi paritätisch zwischen den Parteien ausgemacht. Da werden Kandidaten genannt und die Reaktion der anderen Fraktionen getestet – schließlich muss ja jeder vom Bundestag zu wählende Verfassungsrichter eine Zweidrittelmehrheit im Plenum erreichen. Peinlichkeiten gilt es zu vermeiden – nach außen hin, um „die Würde des Gerichts zu wahren“, und im Innenverhältnis, um das fein gesponnene Netz der Postenverteilung nicht reißen zu lassen. Davon profitieren alle.

Gar kein Zeichen von Schwäche

Dass die Union sich schon im Vorfeld einen von ihr benannten Kandidaten hat wegmobben lassen, ist keineswegs ein Zeichen von Schwäche oder Ungeschicklichkeit. Die Grünen hatten frühzeitig signalisiert, dass sie keinen konservativen Kandidaten dulden würden, und in der Union hatte man verstanden. Der Kandidat wurde schnell zurückgezogen und man konnte getrost die Initiative abgeben.

Denn schließlich war als nächstes das Bundesverfassungsgericht mit „eigenen“ Vorschlägen am Zuge. Nicht dass diese nicht parteipolitisch vorgetestet worden wären. Aber so konnte man in der Union schon mal das Stirnrunzeln üben und staatstragend aufstöhnen – das ist ja so schwierig…

Kühles Kalkül

Verschiedene Volten wurden geschlagen, um dem Rest der Konservativen in der Union den Eindruck von Ernsthaftigkeit bei der Beschäftigung mit ihren Sorgen zu vermitteln. Die harte kalte Realität sieht aber so aus:

Die Mehrheit in der Union, in Partei, Fraktion und Regierung, ist zwar nicht für die Freigabe der Abtreibung. Aber das Thema bewegt sie innerlich kaum. Vor allem aber glaubt man zu wissen, dass die Mehrheit der Wähler für eine „liberale“ Abtreibungsregelung ist. Die Mehrheit in der Union ist also wirklich (noch) nicht für generelle Abtreibung. Aber man will sich für das Thema nicht verkämpfen, und schon gar nicht die Koalition gefährden.

Wie einst bei Merkel

Und deshalb sieht der Kurs jetzt so aus: Man lässt die linken, abtreibungsfreundlichen Mehrheiten im Bundesverfassungsgericht zu, in der Annahme, das sei ohnehin nicht zu stoppen. Und dann dauert es ja noch ein paar Jahre, bis das Fait accompli erreicht ist. Bis dahin erinnert sich niemand mehr an die Steigbügelhalterei der Union im Jahre 2025. Und wenn dann der Lebensschutz für Ungeborene gefallen ist, kann man mit sorgenvoller Miene verkünden: „wir waren ja dagegen…“.

Das ist eine Wiederholung der Merkel-Rochade unseligen Angedenkens, als die damalige Kanzlerin dafür sorgte, dass es im Bundestag eine Mehrheit für die Homoehe gibt, wobei sie selbst – wissend um den sicheren Ausgang – dagegen stimmte. Sie tat das damals den Grünen zuliebe. Wir wissen, dass es ihr dennoch nicht die ersehnte Koalition brachte. Und so wäre der Union zu raten, sich nicht zuviel von ihrer Neuauflage der Merkel-Rochade zu versprechen.

Diese ist – das sei zugegeben – deutlich eleganter als das Vormodell, weil ja, wie gesagt, die Wirkung mit Verzögerung eintritt, so dass sich später kaum mehr jemand erinnern wird, wie diese gnadenlosen Richterinnen das Heft in die Hand bekommen konnten. Dann können sich die Abgeordneten der Union mit gravitätischer Miene die Hände in Unschuld waschen.

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Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für viel gelesene Zeitungen und Internet-Blogs. Dieser Beitrag ist zuerst auf seinem Portal kelle-aktuell.de erschienen.

Bild: Screenshot Youtube

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Von Veritatis

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