In einer über dreieinhalbstündigen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition wurde in der heutigen Generaldebatte der Haushaltsplan der Bundesregierung  streckenweise heftig diskutiert. Im Zentrum der Diskussion: die finanzpolitische Ausrichtung der schwarz-roten Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz, der geplante Haushalt für das Jahr 2025 und grundsätzliche politische Differenzen, die über finanzielle Fragen hinausgehen.

Haushaltsentwurf 2025: Hohe Investitionen, hohe Schulden

Der von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) vorgelegte Haushaltsentwurf sieht für das Jahr 2025 Ausgaben in Höhe von 503 Milliarden Euro vor  – ein Anstieg um 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.  Im Kernhaushalt sollen rund 81,8 Milliarden Euro durch Kredite finanziert werden, dazu kommen weitere rund 60 Milliarden Euro aus schuldenfinanzierten Sondertöpfen. Bis 2029 plant die Bundesregierung, insgesamt fast 850 Milliarden Euro an neuen Schulden aufzunehmen.

Die Bundesregierung rechtfertigt die neue Schuldenpolitik mit der Notwendigkeit, Investitionen in Infrastruktur, Verteidigung und Digitalisierung zu tätigen. Kanzler Merz sprach von einer „Wende in der Wirtschaftspolitik“ und erklärte:

„Nichts zu tun und keine Investitionen zu ermöglichen, wäre keine bessere Alternative.“

Merz: Stimmungsumschwung und Reformbereitschaft

Die schwarz-rote Regierung unter Kanzler Friedrich Merz ist seit gut zwei Monaten im Amt. In seiner Rede zur Haushaltsdebatte zog Merz eine überwiegend positive Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit. Es sei gelungen, „einen Stimmungsumschwung“ im Land herbeizuführen. Neben der wirtschaftspolitischen Kehrtwende sieht der Kanzler Fortschritte in der Außen- und Sicherheitspolitik. Deutschland habe mit der Verfassungsänderung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben Verantwortung in der NATO übernommen.

Mit Blick auf das Bürgergeld kündigte Merz umfassende Reformen an. Ziel sei es, eine echte Grundsicherung für Bedürftige zu schaffen und Fehlanreize zu beseitigen. Derzeitige Leistungen würden oft falsche Signale setzen, so Merz. Entscheidungen sollen im Herbst folgen.

Heftige Kritik von AfD und Linken

Die Haushaltsdebatte eröffnete traditionsgemäß die stärkste Oppositionsfraktion – in dieser Legislaturperiode ist das die AfD. Parteichefin Alice Weidel nutzte ihre Rede für scharfe persönliche Angriffe auf den Kanzler und warf Merz „Wahlbetrug“ vor. „Sie sind ein Papierkanzler, der im Ausland Weltmacht spielt, sich aber zu Hause nach Lust und Laune vom Wahlverlierer SPD vorführen lässt“, so Weidel  in ihrer Rede im Plenum. „Ihr Wort ist nichts wert, auch wenn es schwarz auf weiß in Ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht.“

Die Partei- und Fraktionschefin der AfD warf Merz vor, die Politik der Ampel-Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und FDP fortzusetzen und nicht wie vor der Bundestagswahl versprochen die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, etwa bei der Stromsteuer. Weidel beschuldigte Merz, stattdessen „das Geld der Bürger, das Ihnen nicht gehört, zum Fenster hinauszuwerfen“. Weidel sprach von einem „unersättlichen, verschwenderischen Staat“.

Merz habe vor der Wahl Reformen und eine Reduzierung der Staatsausgaben versprochen, mache nun aber gemeinsam mit Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) mehr Schulden. „So geht Ihre Kanzlerschaft als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte ein“, sagte Weidel an Merz gerichtet. Die Migrationspolitik der Regierung sei reine „Schaufensterpolitik“, der Familiennachzug werde nur „homöopathisch“ eingeschränkt.

Auch aus der Linksfraktion kam scharfe Kritik. Fraktionschefin Heidi Reichinnek warf der Regierung vor, Politik für Reiche zu machen und Bedürftige gezielt zu benachteiligen. Die massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben sei ein „finanzielles Spiel mit dem Feuer“. Die Einsparungen im Sozialbereich – etwa bei Bürgergeld, Kitas und Inklusionshilfen – stünden im krassen Gegensatz zu den „Steuergeschenken für Superreiche“. Reichinnek forderte unter anderem die Wiedereinführung der Vermögensteuer und sprach sich gegen die Schuldenbremse aus.

SPD: Balanceakt zwischen Regierungsverantwortung und Profilierung

Die SPD, Koalitionspartner der Union, bemühte sich in der Debatte um Abgrenzung – insbesondere im sozialpolitischen Bereich. Fraktionschef Matthias Miersch betonte, dass es trotz Koalition mit der Union „unterschiedliche Positionen“ gebe, insbesondere bei Steuerfragen und Sozialpolitik. Diese Differenzen müssten sichtbar bleiben. Gleichzeitig lobte Miersch den Haushalt als solide Grundlage und sprach von einem „sozialdemokratischen Korrektiv“ in der Regierung.
Generalsekretär Tim Klüssendorf ging scharf mit der AfD ins Gericht. Die Strategie der Rechtspopulisten, gesellschaftliche Probleme auf Minderheiten zu projizieren, sei ein „tradiertes Mittel des Faschismus“. Gleichzeitig warnte Klüssendorf davor, bei Einsparungen vorrangig Bürgergeldempfänger ins Visier zu nehmen. Es könne nicht sein, dass „immer bei den Schwächsten“ gespart werde.

CSU und CDU verteidigen Haushalt – und attackieren frühere Ampelregierung

Alexander Hoffmann, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, verteidigte den Haushalt als notwendigen Kompromiss in schwieriger Zeit. Er forderte jedoch Geduld bei der Umsetzung weiterer Vorhaben: „Wir können nicht alles auf einmal machen.“ Kritik übte er insbesondere an den Grünen und an Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck:

„Es waren doch die Grünen, die unser Land finanziell geknebelt haben.“

Jens Spahn, CDU-Fraktionschef, griff in seiner Rede sowohl die AfD als auch die früheren Koalitionspartner der Ampelregierung an. Er warf der AfD vor, „keine Lösungen, sondern nur Wut“ zu bieten. Zudem verteidigte er sich gegen neue Vorwürfe in der sogenannten Maskenaffäre. Die Coronazeit beschäftigt ihn noch immer, sagte Spahn. „Niemand hat damals gesagt: Hören Sie auf, Masken zu kaufen.“ Die Opposition forderte erneut einen Untersuchungsausschuss zu den Maskendeals.

Grüne warnen vor klimapolitischem Rückschritt

Auch aus den Reihen der Grünen kam deutliche Kritik an der neuen Regierung. Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sprach von einem „klimapolitischen Rückschritt“. Die Haushaltsmittel aus der Lkw-Maut würden nahezu ausschließlich in den Straßenbau fließen, während der Ausbau erneuerbarer Energien gebremst werde. Der Klima- und Transformationsfonds werde zweckentfremdet, um Gasinfrastruktur zu subventionieren. „Das ist eine Bankrotterklärung“, so Dröge.
Andreas Audretsch, ebenfalls von den Grünen, kritisierte zudem die Berufung des parteilosen Publizisten Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister. Weimer hatte in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ (hinter eine Bezahlschranke) linke Politik als „übergriffig“ bezeichnet und vor einer angeblichen „Cancel Culture“ gewarnt. Audretsch forderte als Reaktion auf diesen Beitrag ein klares Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt und Toleranz.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betont Erinnerungskultur

Vielen Linken gilt der frühere Chefredakteur des „Focus“ und Gründer des Magazins „Cicero“ Weimer als zu konservativ. In seiner ersten Rede im Bundestag nahm Weimer nun Stellung zu seiner kulturpolitischen Ausrichtung und betonte die Bedeutung historischer Erinnerung.

In Deutschland entstehe zunehmend ein „Milieu vergessener Gewissen“, sagte Weimer. Kulturpolitik müsse daher immer auch Erinnerungskultur sein. Besonders wichtig sei ihm die finanzielle Stärkung des Jüdischen Museums in Berlin. „Gerade in einer Zeit, in der jüdisches Leben in Deutschland wieder Bedrohung erfährt, brauchen wir Orte wie diesen, die Haltung zeigen“, so der Staatsminister.

Weiterhin übte Weimer deutliche Kritik an kulturellen Strömungen aus dem Ausland. Spielfilme aus Hollywood bezeichnete er als Beispiel für eine zunehmend uniforme und marktgetriebene Kultur. Auch mit der staatlich gelenkten Kulturpolitik Chinas ging er hart ins Gericht. Deutschland und Europa dürften sich in kulturpolitischen Fragen nicht unterordnen, betonte Weimer. Es gelte, die eigenen kulturellen Institutionen zu stärken und selbstbewusst für europäische Werte und kulturelle Vielfalt einzutreten.

Kanzleretat Thema des Vormittags

Neben dem Kanzleretat mit einem Volumen von 3,97 Milliarden Euro sieht der Haushaltsentwurf Ausgaben von 2,03 Milliarden Euro für Kultur und Medien vor. Der Etat des Bundesnachrichtendienstes soll auf 1,2 Milliarden Euro steigen – ein Plus von mehr als 100 Millionen Euro gegenüber 2024. Für das Bundeskanzleramt selbst sind 240 Millionen Euro eingeplant, wobei ein Großteil in den Erweiterungsbau fließen soll.

Staatsministerin Elisabeth Kaiser, zuständig für Ostdeutschland, soll 18,22 Millionen Euro erhalten – eine leichte Aufstockung. Die Integrationsbeauftragte Natalie Pawlik (SPD) wechselt organisatorisch ins Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Ihr Budget beträgt 28,4 Millionen Euro, rund sieben Millionen weniger als im Vorjahr.

Der Unabhängige Kontrollrat, der die technische Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes überwacht, soll 11,6 Millionen Euro erhalten. Personalkosten machen mit rund 2,7 Millionen Euro einen geringeren Anteil aus als die sächlichen Verwaltungsausgaben von 7,1 Millionen Euro.

Verabschiedung des Haushaltes im Herbst

Die Haushaltsberatungen im Bundestag setzen sich bis Freitag fort. Nach der Generaldebatte über den Kanzleretat stehen nun die Einzelpläne der Ressorts zur Diskussion. Dabei werden unter anderem die Etats für das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Verteidigung sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beraten. Im Anschluss daran erfolgt die Überweisung des gesamten Haushaltsentwurfs an den Haushaltsausschuss. Dieser wird in den kommenden Wochen die Einzelpläne im Detail prüfen und gegebenenfalls Änderungen vornehmen. Eine abschließende Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Jahr 2025 ist für den Herbst dieses Jahres vorgesehen.

Die Bundesregierung verfolgt mit dem Haushalt das Ziel, bestimmte politische Vorhaben zu finanzieren, darunter Investitionen in Infrastruktur, Verteidigung, Digitalisierung, Bildung und soziale Sicherungssysteme. Trotz der vorgesehenen Neuverschuldung soll mit den geplanten Ausgaben die Grundlage für eine längerfristige wirtschaftliche Entwicklung gelegt werden.

Im Rahmen der kommenden Haushaltswochen wird erwartet, dass sich der Fokus verstärkt auf konkrete Ressortpläne richtet. Dabei dürften insbesondere Fragen zur Finanzierung von Sozialleistungen, Klimaschutzmaßnahmen, Bildungsprogrammen, Verteidigungsausgaben und Investitionsvorhaben in ländlichen Regionen eine Rolle spielen. Auch die genaue Verwendung der Mittel aus Sondervermögen sowie die Rolle der Schuldenbremse werden voraussichtlich Gegenstand weiterer parlamentarischer Diskussionen sein. Bis zur endgültigen Beschlussfassung des Haushalts bleibt somit Raum für politische Debatten und Änderungsanträge.



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Von Veritatis

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