Präsident Selenskyj will einen neuen Brückenkopf in Russland, diesmal im Raum Belgorod. Der US-Regierung soll bewiesen werden, dass man noch militärisch handlungsfähig ist und keine Verträge unterschreiben muss, die zum Ausverkauf führen


Russland hat Gebiete im Raum Kursk zurückerobert

Foto: Sergey Bobylev/SNA/Imago Images


Der Ukrainekrieg tobt in seinem vierten Jahr, und die Lage ist allein auf politischer Ebene verworrener denn je. Auf dem Schlachtfeld selbst herrscht der paradoxe Zustand einer fast statischen Front, an der ein klassischer Stellungskrieg ausgetragen wird. Eine russische Offensive ist nicht mehr erkennbar, seit Kiew kampfstarke Verbände aus dem Raum Kursk zurück in Kampfzonen auf dem eigenen Territorium in der Ostukraine verlegt hat. So hat man eine festgefahrene Trennlinie, über der Drohnen dominieren. Sie zieht sich über Hunderte von Kilometern vom Dnjepr bis nach Kupyansk und verändert sich trotz eines hohen Blutzolls auf beiden Seiten nur noch minimal.

Im Raum Kursk endet eine der umstrittensten Operationen dieses Krieges

Um so intensiver ist das Geschehen rings

lls auf beiden Seiten nur noch minimal.Im Raum Kursk endet eine der umstrittensten Operationen dieses Krieges Um so intensiver ist das Geschehen rings um die ukrainischen Brückenköpfe auf russischem Gebiet. Der Abzug von Brigaden aus der Kursker Region hat zu einem rasanten, beinahe vollständigen Kollaps bei ukrainischen Positionen geführt, sodass nur noch ein Grenzstreifen von etwa 30 Quadratkilometern von Ukrainern gehalten wird. Ein relevanter Einfluss auf den weiteren Kriegsverlauf oder mögliche Verhandlungen wird davon nicht ausgehen. Damit endet eine der umstrittensten Operationen dieses Krieges. Von Anfang an warnten die „Pessimisten“, dass sich Kiew bei der Kursk-Operation von politischem Wunschdenken statt von militärischem Realismus leiten lasse und am Ende mehr verlieren als gewinnen werde. Ukrainische und manche westliche Politiker priesen den Vorstoß lange als einen geradezu genialen Schachzug.Umso schwerer fällt es jetzt, den Kollaps wahrzunehmen. Der Preis des Kursk-Abenteuers geht in Hunderte verlorene Einheiten Technik und Tausende tote oder verwundete ukrainische Soldaten. „Wir hätten diese Operation niemals starten sollen“, zitiert die Agentur Reuters einen ukrainischen Militär, der bei Kursk seine Hand verlor. Die Operation habe nie eine Logik gehabt, urteilt er. Der britische Telegraph nennt „Kursk“ den womöglich schwerwiegendsten Fehler Kiews im gesamten Krieg.Ungeachtet dessen hält Kiew an einer „Strategie der Brückenköpfe“ fest. In Kursk so gut wie geschlagen, lässt der ukrainische Generalstab an der Grenze zur russischen Region Belgorod vorrücken. Bei erheblichen Verlusten wurden mehrere kleinere Ortschaften besetzt und liegen nun unter permanentem russischen Feuer. Ähnlich wie bei Kursk hat auch diese Offensive keinen wirklichen militärischen Mehrwert. Für Kiew genießt Priorität, dass sie parallel zu den Verhandlungen in Saudi-Arabien stattfindet. Offenkundig zielt eine solche Demonstration von Handlungsvermögen mehr auf den US- als den russischen Präsidenten. Ein Statement, dass ukrainische Streitkräfte noch zu Offensiven fähig sind.Inwiefern das hilft, bleibt abzuwarten. Die Furcht Kiews, zu Verhandlungsmasse degradiert zu werden, ist mit Trumps Einzug ins Weiße Haus greifbar. Erste Verhandlungsrunden zwischen Moskau und Washington deuten an, dass der russisch-ukrainische Konflikt nur ein Thema auf der Agenda russisch-amerikanischer Geopolitik ist. Dabei ist die EU in den Augen Wladimir Putins wie Donald Trumps nicht viel mehr als ein störrischer Zuschauer, der sich an den großen Verhandlungstisch schmuggeln will.Eine Variante wäre der völlige Bruch zwischen Washington und KiewDie ersten russisch-amerikanischen Sondierungen in Saudi-Arabien führten zu der sonderbaren Situation, dass Kiew seine Souveränität nicht allein auf militärischer Ebene gegen Moskau, sondern zugleich auf politischer und wirtschaftlicher gegen Washington verteidigen muss, wie der inzwischen vorliegende neue Entwurf für ein Rohstoffabkommen deutlich macht. Der sieht vor, dass erhebliche Teile der Energieproduktion, der natürlichen Ressourcen, der Logistik und kritischen Infrastruktur unter eine unbefristete US-Aufsicht gestellt werden. Dass Kiew einem solchen Deal eher früher als später zustimmen wird, scheint sicher. Die Frage ist nur, wie weitreichend dabei die Zugeständnisse an die USA sein werden, und wie stark sich Washington im Gegenzug dazu verpflichtet, Kiews Interessen gegenüber Moskau für ein akzeptables Kriegsende zu vertreten.Eine Alternative gäbe es: Den kompletten Bruch zwischen Kiew und Washington, bei dem die Ukraine den Amerikanern jegliche „Rohstoff-Dividenden“ sowie rückwirkenden Kompensationszahlungen verweigert und im Gegenzug alle militärischen und finanziellen Hilfen gekappt bekäme. Was noch vor Kurzem undenkbar war, wird in ukrainischen Nachrichtenportalen zunehmend als Option betrachtet – allerdings unter einer Bedingung: Dass die EU einspringt und zu 100 Prozent die US-Kapazitäten ersetzt. Inwiefern das umsetzbar ist, bleibt zweifelhaft. Selbst nach optimistischen Schätzungen bräuchte die EU, den politischen Willen vorausgesetzt, drei bis vier Jahre, um die notwendigen Kapazitäten aufzubauen – Jahre, die Kiew nicht warten kann.Die gerade in Brüssel tragenden NATO-Außenminister wollen nicht zulassen, dass es so weit kommt. Doch ohne Zugeständnisse an den amerikanischen Kollegen Marco Rubio wird das kaum zu machen sein.



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Von Veritatis

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