Wird das erste persönliche Treffen zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und US-Präsidenten Donald Trump zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der Interessenlagen oder vielleicht doch eher für neuen Zwist sorgen?
Nach dem ersten Telefonat der beiden Regierungschefs am Abend des 8. Mai könnten sich Merz und Trump schon innerhalb der nächsten sechs Wochen auf amerikanischem Territorium Auge in Auge gegenüberstehen. Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte Medienberichten zufolge, Merz wolle am liebsten noch vor der nächsten G7-Konferenz in Kanada (15. bis 17. Juni 2025) und vor dem NATO-Gipfel in Den Haag (24. bis 26. Juni) in die Vereinigten Staaten reisen. Trump habe sich für einen späteren Gegenbesuch in Deutschland offen gezeigt.
Ukraine, Handel, Demokratie
Inhaltlich werden die beiden Staatenlenker in Amerika wohl hauptsächlich sich über den Ukraine-Krieg und die Zollpolitik austauschen. In diesen Punkten hatten es Regierungskreisen zufolge schon am Telefon deutliche Signale zur Kooperationsbereitschaft gegeben.
Womöglich wird Trump bei Merz’ Antrittsbesuch auch das unterschiedliche Demokratieverständnis thematisieren, das sich zuletzt immer wieder als Streitpunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen erwiesen hatte.
Hintergrund sind eine Reihe von regierungs- und migrationskritische Äußerungen sowie AfD-freundliche Ansichten, die in den vergangenen Monaten unter anderem der US-Außenminister Marco Rubio, Vizepräsident JD Vance und Präsidentenberater Elon Musk (auf X derzeit als „gorklon rust“ unterwegs) an den Tag gelegt hatten.
Deutscher Geheimdienst unter Druck?
Nach der mittlerweile wieder zurückgenommenen Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als eine „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ hatte sich der transatlantische Meinungskonflikt noch verschärft.
Tom Cotton, der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, wollte offenbar sogar den Informationsaustausch amerikanischer Geheimdienste mit ihren deutschen Kollegen in Sachen AfD stoppen lassen. Die deutschen „Polizeistaatstaktiken“ seien „eher für Russland oder das kommunistische China geeignet, nicht für das größte Land Westeuropas“, schrieb Cotton auf X.
Auch abgesehen vom unterschiedlichen Blick auf die AfD dürfte bei einer persönlichen Zusammenkunft des US-Präsidenten mit dem deutschen Kanzler interessant werden, wie die beiden Politiker menschlich miteinander auskommen. Merz hatte nämlich in den vergangenen Jahren zuweilen verbal gegen Trump ausgeteilt.
Trump-Kritiker Merz verbittet sich Einmischung in innenpolitische Fragen
Nach seiner holprigen Kanzlerwahl am vergangenen Dienstag hatte Merz im ZDF gesagt: „Ich hab’ mich nicht in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt und einseitig Partei ergriffen.“ Und holte sogleich zur Gegenposition aus: Er wolle die US-Regierung gerne „ermuntern“, sich ihrerseits aus „parteipolitischen Betrachtungen weitgehend herauszuhalten“, wenn es um deutsche Innenpolitik gehe.
Doch hatte sich Merz aus parteipolitischen Betrachtungen der USA herausgehalten? Im November 2020, kurz nach der US-Präsidentschaftswahl und als der Sieger noch nicht feststand, hatte der Sauerländer in einem Interview mit „Focus“ davon gesprochen, dass man mit Trumps Gegenkandidaten Joe Biden „natürlich konstruktiver zusammenarbeiten“ könne als mit dem damaligen Amtsinhaber. Amerika sei „in vielerlei Hinsicht kein Vorbild mehr“.
Trump werde „mit seiner Ich-Bezogenheit scheitern“ oder im Fall einer Wiederwahl „Amerika in eine sehr prekäre Lage bringen“, prognostizierte Merz damals.
Zwei Tage später schrieb er in einer „Merzmail“ vom 9. November 2020: „Trump hat Gift in die amerikanische Gesellschaft hineingetragen, und davon wird sich Amerika so schnell nicht erholen.“
Ein Ausschnitt aus der „Merzmail“ vom 9. November 2020.
Merz im Januar 2021: „Trump kein Demokrat“
Wenige Wochen später, am 6. Januar 2021, ließ Merz sein Twitter-Team unter dem Eindruck des sogenannten Sturms auf das Kapitol verbreiten, dass Trump „ganz offenkundig kein Demokrat“ sei. Am Tag der Amtseinführung des Wahlsiegers Biden zwei Wochen später schrieb er auf X persönlich: „Heute kehren Stil und Anstand zurück in das Weiße Haus.“
Noch Ende April 2025 erklärte Merz in indirekter Anspielung auf den US-Präsidenten, dass man sich spätestens seit Jahresbeginn 2025 der „transatlantischen Gemeinschaft im Geiste von Freiheit und regelbasierter Ordnung“ nicht mehr sicher sein könne.
Im ersten Telefongespräch vom 8. Mai versicherte ihm der neue Kanzler nun, dass die USA ein „unverzichtbarer Freund und Partner Deutschlands“ bleiben würden. Es war das erste Mal, dass die beiden Politiker persönlich länger miteinander gesprochen hatten.
Trump bislang höflich-distanziert
Und was ist über Trumps Haltung zum neuen starken Mann in der deutschen Politik bekannt? Nach Informationen von „News.de“ hatte Trump zunächst seine Glückwünsche zur Kanzlerwahl des CDU-Mannes nicht persönlich, sondern von seinem Vize JD Vance ausrichten lassen. Während ihres gemeinsamen Telefongesprächs hatte er dann Merz zu seinem Amtsantritt gratuliert.
Den Unionssieg bei der Bundestagswahl hatte der US-Präsident via „TruthSocial“ noch als „großartigen Tag für Deutschland“ bezeichnet.
Ob Trump und Merz sich irgendwann zu Fragen der Energiepolitik einigen können, bleibt unterdessen unklar. Ende September hatte der Amerikaner im Wahlkampf das deutsche Ziel, nach 2045 auf fossile Energieträger zu verzichten, als gescheitert bezeichnet und versucht, deutsche Unternehmen in die USA zu locken. Merz hält laut Koalitionsvertrag (PDF, siehe Seite 28) allerdings bei der Klimaneutralität bis 2045 fest.
Gemeinsames Hoffen auf Waffenstillstandssignal aus Moskau und eine Lösung für stabile Handelsbeziehungen
Beim Thema Ukraine-Krieg scheint Merz unterdessen zu Kompromissen bereit. Noch wenige Tage vor Ostern hatte er angekündigt, der Ukraine deutsche Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen, sobald er Kanzler sei.
Während diese Ansage innerhalb der EU bei manchen Außenministern gut ankam, waren nun zum 80. Jahrestag des Weltkriegsendes zwischen Merz und Trump dem Vernehmen nach andere Töne zu hören: Man sei sich einig, dass „das Töten in der Ukraine ein rasches Ende finden müsse“. Nun liege es an Russland, einem Waffenstillstand zuzustimmen.
Auch die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und der EU, die sich vorwiegend um Sonderzölle drehen, wollen Merz und Trump offenbar „rasch beilegen“, wie es vonseiten des Regierungssprechers nach dem ersten Telefonat hieß.
Die EU hat sich bis Mitte Juli gegeben, zu einer Einigung zu kommen. Dann werden die EU-Vergeltungsmaßnahmen auf die US-Zölle in Kraft treten. Merz favorisiert in Abstimmung mit den EU-Partnern eine gemeinsame Null-Prozent-Zoll-Politik.